Sternenwind - Roman
aggressiv. »Ich hasse es, dir in diesem Punkt recht geben zu müssen. Ich hasse es zu warten. Ich habe mein ganzes Leben lang darauf gewartet, endlich frei von der Sippe zu sein. Nur … nur dass ich immer noch nicht frei bin. Immer gibt es etwas, das mich davon abhält, das zu tun, was ich tun will.« Sie griff in das seichte Wasser und hob einen Stein auf, den sie über den See hüpfen ließ. Tinte fuhr mit dem Kopf zu ihr herum, trötete sie an und bespritzte sie dabei mit Wasser. Alicia blickte das Gebra böse an, dann spritzte sie vorsichtig zurück und lachte. Sie sah mich an. »Tut mir leid. Ich wehre mich im Moment gegen alles. Das ist nicht fair.«
Ich wollte sie berühren, doch sie zog sich zurück und führte Tinte ans Ufer. Wir tränkten nacheinander auch die anderen Tiere, wahrten jedoch ein betroffenes Schweigen. Schließlich gingen wir zum Feuer zurück.
Dort saßen Kayleen und Joseph und teilten sich einen Holzscheit als Sitzbank. Die Flammen knisterten und knackten in einem mittelgroßen Lagerfeuer und ließen kurzzeitig leuchtende Funken über unseren Köpfen dahinfliegen, rote Sterne, die schnell wieder erloschen.
»Wir mussten so lange warten, bis Tom sich schlafen gelegt hat«, sagte Kayleen. »Joseph hat sich an ihm vorbei aus dem Zelt geschlichen, und er hat unbeirrt weitergeschnarcht. Joseph wollte mit uns reden, und dies ist ein guter Zeitpunkt. Ist es nicht ein hübsches Feuer?«
Ich lachte und umarmte sie. »Pssst … du weckst noch deine Mutter. Ja, es ist hübsch.« Ich sah Joseph an. Das Feuer spiegelte sich flackernd in seinen dunklen Augen. Er trommelte mit den Fingern auf den Knien, und sein rechter Fuß tippte ungeduldig gegen seine linke Wade.
»Was hast du herausgefunden?«, fragte ich.
Er sprach mit leiser Stimme. »Ich habe mich einem neuen Datenspeicher zugewandt. Der, den ich jetzt lese, enthält Daten über die Neue Schöpfung .«
»Könntest du sie fliegen?«, fragte Alicia.
Er lachte. »Wohl kaum. Ich weiß noch nicht einmal, ob dieser Datenspeicher mir erklären wird, wie es geht. Aber ich habe jetzt eine ungefähre Vorstellung, wie es drinnen aussieht, wie man sich das Leben der Besatzung vorgestellt hat. Ich weiß, wie man Essen zubereitet, die Toilette und die Dusche benutzt und wie die Schlafräume eingerichtet sind. Drinnen ist nicht alles aus diesem Silber. Es gibt viele Farben, hauptsächlich sanfte Blau- und Grüntöne. Außerhalb der Wohnbereiche sieht es relativ simpel aus – Röhren und Lagerräume – viele Lagerräume.« Er warf ein kleines Scheit aufs Feuer und beobachtete, wie es von gelben Flammen umhüllt wurde. »Ich würde gern hineingehen und sehen, was sie zurückgelassen haben. Vielleicht sogar weitere Schiffe. Der Speicher zeigt solche Schiffe. Sie sind kleiner als die, mit denen wir gelegentlich zur Weltenreise fliegen. Aber ich erinnere mich nicht, dass sie in den Geschichten erwähnt wurden. Ihr?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Die Neue Schöpfung scheint mir gar nicht groß genug zu sein, um selber Schiffe an Bord haben zu können.«
»Diese waren nur etwa sechsmal so groß wie ein Wagen der Vagabunden.« Er sah Kayleen an. »Dort gibt es auch einen großen Garten. Paloma wäre begeistert.«
»Ich glaube kaum, dass er all die Jahre überlebt hat«, erwiderte Kayleen.
»Wie auch immer …« Joseph zuckte mit den Schultern. »Ich wünschte, ich könnte euch die Bilder zeigen, die ich in meinem Kopf sehe. Vielleicht kriege ich noch raus, wie sich das machen lässt.«
»Kannst du das, was du siehst, an den Projektor senden?«, fragte Kayleen.
Ich schüttelte den Kopf. »Jenna sagte, in der Nähe anderer Leute sollten wir kein Risiko eingehen.«
Kayleen blickte gequält in die Runde. »Paloma und Tom würden uns nicht verraten. Ich weiß es.« Sie hob einen Stein auf und warf ihn über das Wasser, worauf Tinte und Sand die Köpfe hoben. »Aber du hast recht. Hast du noch etwas anderes gesehen?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Und … ich glaube nicht, dass der Projektor euch die Daten so zeigen würde, wie ich sie sehe. Sie sind vielschichtig und verwoben, und ich muss Gedankenfäden folgen, die wie ein schlechter Knoten funktionieren. Alles überlagert sich, Datengruppen, Hinweise auf andere Daten, Bilder hinter Bildern …« Er starrte einen Moment lang ins Feuer, bis er gähnte. »Ich weiß noch nicht genau, wie ich Anfragen stellen kann … manchmal weiß ich einfach, wie ich einer Reihe von Fragen folgen muss, die
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