Sternenwind - Roman
stand auf und half mit, die im Lager anfallenden Arbeiten zu erledigen.
Am frühen Nachmittag hatten wir den Kleinen Samtsee einmal umrundet und kehrten zu der Stelle auf dem Kraterwall zurück, wo wir den See erstmals erblickt hatten. Wir hatten sechs Nächte für die Reise gebraucht, aber mir kam es vor, als wäre ein Jahr vergangen. Ich fühlte mich ganz anders als bei der Überquerung des Grats in der anderen Richtung, aber unter uns in Artistos warteten die gleichen Probleme auf uns wie zuvor – und noch schlimmere.
Von hier war es nur noch eine halbe Stunde bis zur Kreuzung der drei Wege. Wir befolgten Akashis Rat und schlugen unsere Zelte an der grau-schwarzen Klippe auf, so dass der Bach zwischen uns und der Straße lag. Eine schmale Linie Wald füllte die Lücke aus, und dankenswerterweise hatte jemand ein Gehege gebaut, das im Schatten einer Scheinulme und mehrerer Weißbäume lag und in dem wir die Gebras unterbringen konnten. Wir schlossen das Gehege in die Sicherheitszone ein.
Als ich zum Bach ging, um meine Feldflasche aufzufüllen, blickte ich mich um und konnte unser Lager kaum erkennen. Hätte ich nicht gewusst, wo es sich befand, wäre mein Blick einfach über die Zelte hinweggegangen. Ich blieb stehen und blickte den Weg hinunter, in Richtung Artistos, und meine Füße wären am liebsten losmarschiert – zurück zum letzten Frühling, zum Ausflug mit Theresa, um Kräuter für die Seife zu sammeln. Ich wollte schnell und verstohlen losrennen, bis ins Stadtzentrum in der Nähe der Klinik, um Bryan aus der dunklen Zelle zu befreien, um die Klippen entlangzugaloppieren und an der Neuen Schöpfung anzuhalten – in Sicherheit, nur mit meinem Bruder, ansonsten allein, um das Schiff zu öffnen und seine Geheimnisse zu erkunden.
Doch ich konnte nichts von all diesen Dingen tun, nicht jetzt.
Auf dem Rückweg tätschelte ich der Reihe nach sämtliche Gebras. »So, Tiger«, flüsterte ich. »Wenigstens werden wir jetzt Liam und Akashi wiedersehen.«
Nach einem kalten Abendessen, als wir von vollständiger Dunkelheit eingehüllt wurden, folgte ich Alicia in unser Zelt. Wir überließen es Tom und Kayleen, das Feuer zu schüren und die erste Wache zu übernehmen. Ich wollte noch aufbleiben und mit Alicia reden, aber ich war bereits weggetreten, sobald sich die Zelttür hinter mir geschlossen hatte.
Ich wachte benommen auf, und mir wurde bewusst, dass ich geträumt hatte, das Signal für einen freundlichen Eindringling von der Alarmanlage gehört zu haben. Oder war wirklich jemand gekommen? Ich horchte aufmerksam. Nichts. Dann: ein Schritt vor unserem Zelt.
Kalte Luft schlug gegen meine Wange. Jemand öffnete die Zelttür von außen.
Hatte Alicia es ebenfalls bemerkt? Ich konnte ihren Atem nicht hören. Ich streckte den Arm aus und erwartete, ihren Arm oder ihre Schulter zu berühren. Aber ich ertastete lediglich zerwühlte Decken. Und es war auch nicht Alicia, die hereinkam; der Geruch stimmte nicht. Joseph? Nein … auch er roch anders. Ich blinzelte, ohne mich zu rühren. Spuren des Brandgeruchs der Schmelzhütte, der Geruch von Artistos. Adrenalin durchströmte mich, und es kostete mich einige Willensanstrengung, ruhig zu bleiben. Was sollte ich tun? Mich schlafend stellen? Wer war es?
»Komm heraus, Chelo.«
Nava!
Ich schlug die Decken zurück, und mir wurde noch kühler. Es war schwierig, meine Stimme entspannt klingen zu lassen. »Ich komme.« Ich zwängte mich durch die Tür, und mir schlug noch kältere Luft entgegen, als ich mich umblickte.
Nava stand nicht weit entfernt. Ihre Hände waren völlig ruhig. Aber ihre Stimme klang wie meine – angestrengt um einen normalen Gesprächston bemüht. »Es ist Zeit für dich, nach Hause zu kommen.«
Sterne standen am dunklen, mondlosen Himmel. »Es ist mitten in der Nacht«, sagte ich. Das Feuer war zehn Meter vom Zelt entfernt und warf seinen Schein auf Tom, der auf der einen Seite stand. Auf der anderen drängten sich Kayleen und Paloma aneinander. Zwei Männer waren etwas weiter vom Feuer entfernt, so dass ich sie nicht eindeutig identifizieren konnte. Als ich den Blick durch den weiten Kreis der Dunkelheit wandern ließ, bemerkte ich zwei Gestalten, die gegen Bäume gelehnt dastanden, und im Gehege eine weitere, die Sands Stirn kraulte und in unsere Richtung blickte. Ich blinzelte und erkannte Stile an der Art, wie er den einen Arm etwas ruckhaft bewegte. Er hatte uns die Urnen mit der Asche von Steven und Therese gebracht. Er war immer
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