Sternenwind - Roman
einmal Joseph. Hatte sie ihren Plan zu Ende gedacht? Als jemand, der Risiken einging? Jenna hatte gesagt, dass wir jemanden wie sie brauchen würden, aber jetzt hätte ich gern darauf verzichtet. Was hatte Alicia vor? Sich einfach zurückziehen und zum Schiff zurückkehren? Oder wollte sie möglichst viel Schaden anrichten, während sie die Stadt verließ? Wie groß war ihr Drang, Ruth wehzutun?
»Dann werden wir sehen«, rief Ruth herauf, »wie sie sich ihren Rückzug vorgestellt hat.«
Lyssa hob beschwichtigend die Hände. »Dann werden wir sie einfach gehen lassen. Sie alle sollen gehen und nie zurückkommen.« Ihre Stimme zitterte. »Genügt das nicht?«
Ruth wandte sich voller Sarkasmus an Lyssa. »Sie haben unsere Grenzsicherung ausgeschaltet und uns mit dem Tod bedroht. Wir können sie nicht wirksam von der Stadt fernhalten, Lyssa.« Ruth hielt immer noch die Betäubungswaffe in der Hand. Der Baum bot einen gewissen Schutz, aber was war, wenn Alicia herunterklettern wollte?
Ich spielte auf Zeit. »Mir gefällt Lyssas Idee. Lass sie einfach gehen.«
Lyssa warf mir einen flehenden Blick zu. Als könnte ich ihr irgendwie helfen.
Niemand reagierte auf meine Worte.
»Sie sind im Park«, sagte Joseph. »Noch zwei Minuten.«
Chayla ging an Akashi vorbei und näherte sich dem oberen Ende der Stufen – wo sie in Sicherheit wäre.
»Du!«, rief Alicia ihr zu. »Bleib hier!«
Ich knirschte mit den Zähnen. Alicia kannte Chayla nicht einmal, die stille Chayla, die jede Aufgabe erfüllte, ohne sich zu beklagen, die mir schon oft bei der Kinderbetreuung geholfen hatte. »Lass sie gehen. Sie ist einfach nur anders, ähnlich wie du und ich.«
Alicia nahm die Kugel in die andere Hand. »Ich traue niemandem von diesen Leuten. Wenn du ihr so sehr vertraust, lass sie neben dir stehen.«
Chayla hatte die Augen weit aufgerissen. Sie zitterte. Wir hatten kein Recht, ihr Angst einzujagen. »Chayla«, sagte ich. »Geh weiter. Verlass das Amphitheater. Alicia wird dir nichts antun.«
Alicia warf mir einen wütenden Blick zu.
Ich sprach laut genug, um mich überall verständlich zu machen. »Alicia, du hast die Möglichkeit, ein wenig Mitgefühl zu zeigen.«
Sie blinzelte und schwieg eine ganze Weile. Widerstrebend gab sie ihr Einverständnis. »Na gut. Geh, Chayla. Bleib in der Nähe und sag allen anderen, dass sie sich von hier fernhalten sollen. Mit Ausnahme von Bryan und Tom.«
Ich nickte. Ein kleiner Triumph. Es war wichtig, dass mein Wille stärker als der von Alicia war.
Sie mussten jeden Moment eintreffen. Ich wandte mich wieder an Nava. »Wenn du jetzt nicht mit mir reden willst, werde ich bleiben, nachdem Alicia und Bryan gegangen sind. Dann können wir uns in Ruhe unterhalten.«
»Nein«, zischte Alicia laut genug, dass ich es hören konnte. »Du kommst mit uns.«
»Ich kann nicht.« Wir konnten nicht alle gleichzeitig fliehen, wenn der Stadtrat volle Handlungsfreiheit besaß. Liam und Kayleen wollten bleiben, und es war nicht genug Zeit übrig, um sie zu zwingen. Auch nicht, um sich mit Kayleen und Paloma zu einigen und zu einer Entscheidung zu gelangen. Bryan, Jenna, Alicia und Joseph ließen sich nur dann wegbringen, wenn wir uns beeilten. »Ich kann nicht«, wiederholte ich und schluckte schwer. Ich drängte meine Tränen zurück, nachdem sich meine Wut – sogar die auf Alicia – in Traurigkeit verwandelt hatte. Ich sah Akashi und Gianna an.
»Bietest du dich selbst als Geisel an?«, fragte Hunter. »Komm zu uns herunter!«
Ich schüttelte den Kopf. »Nachdem sie gegangen sind. Mein Wort muss genügen.«
Scharrende Schritte. Toms Stimme. »Wir sind da.«
Mein Blick ging zwischen Alicia und dem Podium hin und her. Ich sprach leise. »Bryan. Komm bitte zu mir.«
»Chelo.« Der Schmerz in seiner Stimme erschütterte mich. Ich hatte Angst davor, ihn anzusehen. Es fühlte sich an, als würde ich auf einem Baumstamm über einem reißenden Bach balancieren. Über mir im Baum schnappte Alicia keuchend nach Luft und rief: »Du hattest kein Recht dazu!« Ihre Worte hallten von den Steinwänden des Amphitheaters zurück.
Ich hörte, wie er neben mich trat, und spürte seine Hand auf meiner. Ich warf ihm einen kurzen Blick zu. Obwohl ich es nicht wollte, kamen mir die Tränen. Die Haut um ein Auge und auf der ganzen Wange war geschwollen und dunkel. Pflaster hielten Platzwunden an seinem Schädel und auf einem Arm zusammen. Ich hatte nicht die Zeit und auch nicht den Mut, es mir genauer anzusehen. Ich
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