Sternenwind - Roman
meinte – Alicia, mich oder Akashi. Aber Akashi versteifte sich.
Alicias Präsenz hatte eine fast körperlich spürbare Schwere, als würde über mir eine Tatzenkatze in einem Baum lauern. Ich wusste nicht, was ich zu ihr sagen sollte. Sie war auf dem falschen Weg.
Joseph? Joseph hatte mich nicht gewarnt! Offenbar wusste er nichts davon. Ich zischte leise, um seine Aufmerksamkeit zu wecken. »Alicia …« Ich zögerte. Was sollte ich ihm sagen?
Alicia rief vom Baum herunter, laut genug, um im ganzen Amphitheater gehört zu werden: »Ich habe gewartet. Ich habe mich versteckt, bis sie zurückgeritten sind. Ich habe mitgehört, wie sie darüber gesprochen haben, uns alle gefangen zu nehmen. Da wusste ich, dass du mit Reden nichts erreichen wirst. Sie haben viel zu viel Angst vor uns, um uns gehen lassen zu können, um zu erlauben, dass wir wir selbst sind. Dazu werden sie niemals bereit sein. Das habe ich ihren Worten zweifelsfrei entnommen.«
»Joseph?«, fragte ich.
Er antwortete nicht sofort.
Ich fühlte mich wie angewurzelt, und meine Gedanken rasten. Wenn wir hinuntergingen und mit dem Stadtrat redeten, würde er über Alicias Forderungen verhandeln. Sie würde die Waffe nicht werfen, wo wir standen. Daran musste ich glauben – und der Stadtrat würde ohnehin daran glauben. Akashi und ich konnten uns zurückziehen, Tom folgen, Bryan holen und Alicia ihrem Schicksal überlassen – und die Anführer von Artistos dem Schicksal, das Alicia für sie vorgesehen hatte. Dann war es nicht mehr meine Angelegenheit, sondern ihre Entscheidung.
Ich konnte es nicht.
Am liebsten hätte ich vor Verzweiflung geschrien.
Josephs Stimme war in meinem Ohr. »Schwester? Entschuldigung … ich … war mit etwas beschäftigt. Ich war nicht im Netz … aber ich habe dich aufgespürt. Ich sehe, wo du bist, und ich sehe Alicia. Ich kann nicht mit ihr reden.« Mir war nicht ganz klar, ob seine Stimme vor Angst oder Wut zitterte.
»Ich auch nicht«, entgegnete ich.
»Chelo, Akashi!«, rief Nava zu uns herauf. »Haltet sie zurück!«
Ich hätte es gern getan. Aber jetzt war es zu spät. Sie hatte diesen Weg eingeschlagen, und nun mussten wir irgendwie damit arbeiten. Wenn ich sie einfach von ihrem Vorhaben abbrachte, selbst wenn es mir möglich wäre, hätten wir alle verloren. »Es tut mir leid«, antwortete ich Nava. »Ich bin nicht für Alicias Entscheidung verantwortlich.«
»Woher sollen wir wissen, dass du das hier nicht gemeinsam mit Alicia geplant hast?«, rief Ruth herauf.
Ich ging nicht darauf ein. Auf Bryan warten. Wir brauchten Bryan. Wenigstens das hatte Alicia erreicht. Ich ging zwei Schritte nach unten und nach rechts, fort von Alicia, weit genug von allen anderen entfernt, um sie im Auge zu behalten und ungestört mit Joseph reden zu können. Akashi warf mir einen vernichtenden Blick zu und folgte mir.
Traf ich die richtige Entscheidung? Ich musste auf Bryan warten. War Akashi wirklich wütend auf mich, oder wollte er nur erreichen, dass die anderen es glaubten?
Akashi blieb nach etwa zehn Schritten stehen, auf einem Drittel des Weges nach unten und in Reichweite, falls Alicia die Kugel hinunterwerfen sollte. Er setzte sein Leben als Mittel zur Beschwichtigung ein. »Was ist geschehen?«, rief er zum Podium hinunter und erweckte damit den Eindruck, nichts mit der Sache zu tun zu haben. Dass auch ich nichts damit zu tun hatte. Ich dankte ihm stumm und blieb, wo ich war.
Joseph meldete sich zurück. »Tom ist in der Klinik. Dr. Debra versucht ihn davon abzuhalten, Bryan mitzunehmen. Tom diskutiert mit ihr.«
Niemand hatte auf Akashis Frage geantwortet.
»Nava«, rief ich. »Ich bin gekommen, um deine Einladung zu einem Gespräch anzunehmen. Jetzt scheint nicht der günstigste Zeitpunkt dafür zu sein …« Ich blickte zum Baum, zu Alicia, und hoffte auf eine vernünftige Lösung, mit der ich gar nicht mehr rechnete. »… aber vielleicht können wir Alicia beweisen, dass Gespräche eine sinnvolle Strategie sind, um einen Konflikt zu bewältigen.«
Nava schien in der Falle zu sitzen. Ihr Gesicht war eine Maske aus Wut und Furcht, ihr Hals war vor Erregung gerötet.
Hunter antwortete, ohne mich anzusehen. »Es ist schwierig, vertrauensvoll zu verhandeln, wenn man bedroht wird.«
Wagemut. Ich musste wagemutig sein. »Habt ihr über meinen Vorschlag diskutiert? Ihr habt mich aufgefordert, mit euch allen darüber zu reden. Jetzt bin ich hier.«
Alicia sprach zu mir. »Hast du immer noch nicht
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