Sternenwind - Roman
deine Pflicht , es zu warten.«
Ich hielt den Atem an, als ich auf seine Antwort wartete.
Sein Blick blieb unverwandt auf sie gerichtet. »Ich kann es nicht tun. Ich werde es nicht tun.«
Sie stieß einen verzweifelten Seufzer aus. »Betrachte dich als Mitarbeiter der Baumeistergilde, bis du es dir anders überlegst. Heute Vormittag arbeitet ein Trupp an der Trinkwasserwiedergewinnungsanlage.«
Ich verzog innerlich das Gesicht, hielt mich aber aus dem Gespräch heraus. Mit Druck kam man bei Joseph nicht weit, mit ihm brauchte man Zeit und Geduld.
Bryan war der Stärkste von uns, aber wir alle hatten mehr Kraft als normale Menschen. Joseph stürzte sich auf die körperliche Arbeit und schuftete schwer. Vielleicht schwitzte er auf diese Weise seine Trauer aus.
Aber es gefiel ihm nicht. Seine Augen funkelten nie, wenn er an die Arbeit dachte. In seiner Freizeit zeichnete er keine Netzwerkdiagramme mehr und berührte auch keine Knoten, einfach nur aus dem Grund, weil er es konnte. Die Reparatur von Abwasserleitungen gab ihm die Möglichkeit, sich abzureagieren, aber es machte ihm keinen Spaß.
Um Nava ein wenig zu beschwichtigen, tat ich mich mit Kayleen und Paloma zusammen. Sie bemühten sich, die Datennetzwerke wieder in Ordnung zu bringen, ohne Artistos zu verlassen. Die Hauptarbeit machte jedoch nicht Kayleen, sondern Paloma, auch wenn sie die standardmäßigen Datenmonitore benutzte. Ich kannte die Abläufe der Netzreparatur, weil ich oft an Josephs Seite gewesen war, wenn er es gemacht hatte. Doch jetzt fühlte es sich an, als würde ich mit blinden und halbblinden Kollegen zusammenarbeiten. Joseph konnte es viel besser als die beiden.
Die Begrenzung bestand aus zwei Teilen. Der erste war eine solide Mauer mit Toren, die Artistos auf allen Seiten umgab, abgesehen von den Klippen und einzelnen Flussabschnitten. Der zweite Teil war eine Kette aus drahtlos arbeitenden Anlagen, ein virtueller Zaun, der gegebenenfalls Sicherheitsalarm auslöste. Diese zweite Grenze verlief entlang den Mauerkronen und Toren, überquerte jeden Fluss und Bach und bildete einen ungleichmäßigen Schutzkreis rund um Artistos. Datenkapseln erfassten Wärmequellen, maßen ihre Bewegung und Größe und lasen Ausweischips. So konnte unterschiedlicher Alarm gegeben werden, wenn eine Tatzenkatze, eine Gebraherde oder Menschen die Begrenzung nach innen oder außen überquerten. Jeder außer Jenna besaß einen Ausweischip, der das System über unsere Bewegungen informierte.
Fast zwei Wochen nach dem Beben saßen wir zu viert schweigend am Frühstückstisch. Der Alarm meldete eine Tatzenkatze. Ich brauchte etwa eine Sekunde, um das Signal zuzuordnen, da die letzte Katze vor zwei Jahren in die Stadt gekommen war. Nava und Tom erhoben sich sofort von ihren Stühlen und rannten nach draußen. Joseph und ich sahen uns kurz an, dann folgten wir ihnen. Wir blickten uns immer wieder nervös um, während wir zum Park unterwegs waren.
Tom und Nava und sieben oder acht andere Leute unterhielten sich in einer dicht gedrängten Gruppe, als wir dazustießen. Weitere Erwachsene näherten sich. Ich hörte nur Bruchstücke des Gesprächs mit. »… östliche Grenze … Gebras? … Betäubungswaffen besorgen … Kinder in die Häuser …«
Dann zeigte Tom auf den Parkrand, und ein leichtes ironisches Lächeln umspielte seine Mundwinkel.
Jenna stand neben einem Zwillingsbaum, und eine tote Katze hing schlaff auf ihrem Rücken. Der Körper reichte von ihrem Nacken bis zu den Waden, und den Schwanz hatte sie sich über die Schulter gelegt. Das Tier musste um die siebzig Kilo wiegen, aber es schien ihr keine besondere Mühe zu machen, die Last zu tragen. Sie kam auf unsere Gruppe zu und ließ die tote Katze ins Gras fallen.
Jenna war mindestens einen Kopf größer als alle anderen, die sich hier versammelt hatten. Das graue Haar hatte sie zu einem langen Zopf geflochten, und ihre grüne Arbeitskleidung aus Hanffasern war rot vom Blut der Katze. Sie sah beeindruckend aus.
Es fühlte sich gut an, sie und ihre Stärke zu sehen, zu wissen, dass sie und ich dem gleichen Volk entstammten, dass ich ihr ähnlicher war als den Kolonisten. Ich beneidete sie keineswegs um ihre Einsamkeit, aber ihre Kraft und Anmut und ihre Aura der Kompetenz sprachen mich sehr an. Selbst mit ihrem verwüsteten Gesicht und dem einzelnen blassen Auge strahlte sie Stolz aus.
Sie zeigte auf die Katze. »Die habe ich bei den Gebraställen gefunden. Sie kam durch Tor fünf herein. Sie
Weitere Kostenlose Bücher