Sternenwind - Roman
eine Flamme. Sein Gesicht schien im Licht des Feuers zu flackern. »Entzünde den Scheiterhaufen hinter dir, für Therese und Steven, die euch beide sehr geliebt haben.« Sein Blick ging zu Joseph. »Steh deiner Schwester zur Seite. Benutze das Feuer, um deine Trauer zu läutern.«
Joseph nickte. Seine Augen waren auf das faustgroße Feuer gerichtet, seine Hand umklammerte meine. Wir warteten, bis alle Fackeln ausgeteilt waren.
Trommeln ertönten.
Das Zeichen.
Joseph und ich traten gemeinsam vor, und ich senkte den Arm. Die helle Fackel berührte eine Ecke des Holzstapels. Die Flammen sprangen von der Fackel auf das trockene Holz über und breiteten sich schnell aus. Ich reichte Joseph die Fackel. Er zögerte kurz, dann biss er mit einem leisen Stöhnen die Zähne zusammen und warf die ganze Fackel auf den Scheiterhaufen, neben Stevens verhüllte Leiche. Die Hitze trieb uns zurück, Schritt für Schritt, bis wir die Menge erreicht hatten. Ich spürte, wie ich von Bryans Armen gehalten wurde, und sah, wie Kayleen Joseph an sich drückte.
Die Flammen leckten hungrig an den Toten und stiegen vor dem dunklen Himmel auf, bis sie die Sterne überstrahlten. Ich zwang mich dazu, nicht den Blick abzuwenden, obwohl es mich schmerzte, dabei zuzusehen. Der eigentümliche Geruch von brennendem Fleisch erfüllte die Luft. Hinter uns raunte die Menge in einem Gemisch aus Gesang, weinenden Babys, Klagelauten und den Trommeln.
Joseph und ich schwiegen. Wir beobachteten, wie die Flammen züngelten und tanzten, bis sie hinter meinen Tränen verschwammen. So standen wir vier gemeinsam da und starrten stundenlang auf das Feuer, bis nur noch glühende Asche übrig war.
Kapitel 3
JENNA UND DIE TATZENKATZE
Als am nächsten Tag das erste Licht durch die Fenster hereinfiel, hörte ich ein Klopfen an der Tür. Es war Stile, der verlegen zwei Urnen aus Ton in den Händen hielt. Darin befand sich die Asche der Scheiterhaufen. In seinem Blick war eine Spur von kühler Abschätzung, als er sie mir reichte. Den einen Arm bewegte er normal, den anderen langsam und ruckhaft, eine Kriegsverletzung. »Mein Beileid«, murmelte er.
»Danke.«
Er nickte, drehte sich um und entfernte sich zügig, ohne sich noch einmal umzublicken.
Joseph und ich legten unsere weißen Binden um die Urnen. Dann stellte ich sie auf das Fensterbrett in meinem Zimmer. Eines Tages würden wir die Asche unserer Eltern auf Fremont verstreuen. Vorläufig waren die Behälter Erinnerungen an unseren Verlust.
An diesem Nachmittag brachten Nava und Tom ihre persönlichen Sachen ins Haus und breiteten sie im ehemaligen Zimmer von Steven und Therese aus. Ihre Anwesenheit im Haus fühlte sich falsch an. Sie waren zu angespannt, zu hektisch, zu kalt. Sie kümmerten sich um unsere Bedürfnisse, aber das einzige Gesprächsthema war die Überwindung der Folgen des Erdbebens. Ich war froh, dass sie früh aus dem Haus gingen und spät zurückkehrten, um den Wiederaufbau von Sonnenaufgang bis weit nach Sonnenuntergang zu überwachen. Wenn sie zu Hause waren, vermieden wir es nach Möglichkeit, unsere Zimmer zu verlassen.
Joseph machte weiter auf krank und blieb tagelang zu Hause, obwohl er jetzt wieder normal laufen konnte und nicht mehr den ganzen Tag lang schlief. Trotzdem war er oft deprimiert und döste in seinem Zimmer oder machte kurze Spaziergänge, um dem alltäglichen Leben von Artistos zu entgehen. Auch von den Datennetzwerken hielt er sich weiterhin fern.
Josephs Lachen fehlte mir genauso sehr wie Stevens Sticheleien und Theresas freundliches Lächeln.
Am Morgen des dritten Tages nach der Trauerfeier gönnten Joseph und ich uns ein leichtes Frühstück, bevor ich mich auf den Weg zur Arbeit machte. Wir waren gerade fertig, als Nava hereinkam und sich Joseph gegenüber an den Tisch setzte. Sie hatte sich das Haar straff im Nacken zusammengebunden, und ihre grünen Augen blickten mit fester Entschlossenheit. »Joseph, du musst heute wieder arbeiten. Wir brauchen dich.« Sie nahm einen großen Schluck von ihrem gewohnten Morgentee. »Du kannst dich mit Paloma und Kayleen um die Datennetze kümmern oder irgendeinen anderen Auftrag annehmen, den ich dir gebe.«
Joseph erwiderte ihren Blick. »Was für andere Aufgaben hättest du für mich?«, fragte er ruhig.
Sie beugte sich vor, die Lippen zusammengepresst. Sie sprach abgehackt. »Die Sicherheit von Artistos hängt vom Frühwarnsystem ab, bei dessen Entwicklung du mitgeholfen hast. Es ist
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