Sternenwind - Roman
glaube ich, dass Alicia unschuldig ist.« Ich sah zu Ruth und wollte sie direkt herausfordern, sie genauso grob behandeln, wie sie es mit Alicia getan hatte, aber ich traute mich nicht. Mein Bürgerstatus war in Frage gestellt worden, und ich war noch nicht erwachsen. »In der Zwischenzeit kann Alicia sicherlich in Artistos bleiben.« Ich schluckte schwer und hoffte, ich hatte genug gesagt, um etwas zu bewirken, dann machte ich mich auf den Weg zu meinem Platz.
Nava hielt mich auf. »Chelo, bleib noch einen Moment.«
Ich hielt inne und sah sie an.
Sie musterte mich nachdenklich. »Chelo, du sagst, dass du für das Wohl der Kolonie arbeitest?«
Ich nickte misstrauisch.
»Ihr alle?«
Ich warf einen Blick zu Joseph, als ich plötzlich ahnte, worauf diese Sache hinauslaufen würde. Es ging um ihn. Aber was sollte ich sagen? Wieder schluckte ich. »Wir alle.«
Nava wandte sich der Menge zu. »Viele Fragen, die heute angesprochen wurden, bedürfen zweifellos einer längeren Diskussion. Wir werden sie später klären.« Sie blickte zu Tom, legte die Stirn in Falten und wandte sich dann direkt an Alicia und mich. »Es gibt einen möglichen Kompromiss.«
Alicia nickte.
Mir gefiel die Sache nicht, aber ich spürte, das sämtliche Blicke der Gemeinschaft auf mir ruhten. Es fühlte sich erdrückend an. »Ich höre.«
»Ein großer Teil unseres Datennetzwerks leidet immer noch unter den Schäden durch das Erdbeben.« Sie schürzte die Lippen, als wäre ihr auf einmal die Notwendigkeit bewusst geworden, die Zustimmung der anderen Ratsmitglieder einzuholen. Sie blickte sich am Tisch um und wartete darauf, dass die anderen nickten.
Hunter wedelte ungeduldig mit einer Krallenhand. »Weiter.«
»Ich möchte, dass du, Joseph und Kayleen …« Sie warf ihrem Mann einen kurzen Blick zu. »… sowie Tom und Paloma gemeinsam losziehen, um das Netzwerk zu reparieren. Ich möchte, dass Joseph mithilft.« Nava blickte zu Joseph und schließlich zu Alicia. »Wenn ihr dazu bereit seid, darf Alicia euch begleiten.«
Damit wäre Alicia dem Zugriff der Ostsippe entzogen, zumindest so lange, bis sie im Frühjahr zurückkehrte. Falls Joseph einverstanden war.
»Und während ihr unterwegs seid, werden wir die angefangene Diskussion fortsetzen.«
Nein! Nava hatte mich in die Enge getrieben. Ich sah mir die Gesichter auf dem Podium an.
Um Ruths Mundwinkel spielte ein Lächeln. Lyssa nickte. Wei-Wei runzelte die Stirn. Toms Miene zeigte Verwirrung und Neugier, während er Nava betrachtete, als wäre er sich nicht sicher, sie richtig verstanden zu haben. Hunter ließ sich keine Regung anmerken. Akashi schien misstrauisch zu sein.
Ich drehte mich um und blickte auf. Jenna stand zwischen den Reihen und beobachtete uns schweigend.
Nava wandte sich an Joseph. »Wirst du mitgehen und die Netze reparieren?«
Joseph war aufgestanden und blickte sich um, als könnte er sich nicht zwischen der Notwendigkeit, Alicia zu helfen, und seiner Angst vor den Datennetzen entscheiden.
»Tu’s nicht«, flüsterte ich lautlos. »Noch nicht.« Falls er zu schnell nachgab, verlor ich die letzte Chance, mehr auszuhandeln. Aber Joseph würde sich bestimmt für Alicia einsetzen. Ich hoffte auf Paloma. Sie würde es erkennen, sie würde ihn aufhalten, aber bevor irgendwer etwas tun konnte, hatte Joseph gesprochen. »Ich werde mitgehen.« Er sprach es klar und deutlich aus, ohne die geringste Spur eines Zögerns.
Ich biss mir auf die Zunge. Ich hätte noch fordern können, dass Bryan und Liam uns begleiteten. Wir brauchten jemanden, der in der Stadt blieb und für uns sprach, aber musste es ausgerechnet Bryan sein, der Wütendste von uns allen? Gehörte das zu Navas Plan? Und was war, wenn Joseph nicht in der Lage war, an den Netzen zu arbeiten?
Die anderen Ratsmitglieder gaben sofort ihre Zustimmung.
Tom nickte, genauso wie alle anderen, obwohl er seiner Frau erneut einen verwirrten Blick zuwarf. Vielleicht verstand er nicht, warum sie ihn fortschicken wollte. Ich ahnte den Grund. Tom unterstützte uns und hatte es auch während dieser Verhandlung öffentlich getan. Wenn er nicht da war und Paloma ebenfalls fehlte, waren zwei unserer stärksten Befürworter von der Diskussion ausgeschlossen. Praktisch gesehen war Tom neben Paloma der einzige Erwachsene, dem Joseph vertraute. Auch das musste Nava bewusst sein. Das alles gefiel mir überhaupt nicht.
Aber so wurde es beschlossen.
Nava und Ruth hatten uns ausgetrickst.
Ruth hatte wahrscheinlich kein
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