Sternenwind - Roman
herum und stießen die Fäuste in die Luft. Dann liefen wir zurück zur Stadt. Die Modifizierten waren endlich fort!«
Ich wusste, was danach kam, also sprach ich es aus. »Doch wir waren noch da.«
Nava sah mich an. »Fast hätten wir euch alle getötet. Akashi war entschieden dagegen. Außerdem waren wir erschöpft und hatten genug vom Töten.«
Ich fragte mich, ob sie sich wünschte, man hätte uns getötet. Ob sie selbst vorgeschlagen hatte, uns zu töten. Damals konnte sie noch keine große Macht gehabt haben, nicht wie jetzt, aber welchen Standpunkt hatte sie vertreten?
»Wenn es zum Kampf kommt, haben wir kaum eine Chance gegen euch. Aber jetzt seid ihr nur noch sechs. Sieben, wenn man Jenna mitzählt.« Sie erhob sich von der Bank und ging auf und ab. Dann setzte sie sich wieder und wippte mit den Füßen. »Schon jetzt sind unsere Datennetze stärker, weil Joseph daran mitgearbeitet hat. Liam hat innerhalb seiner Sippe Führungsqualitäten bewiesen, und Akashi hat ihn zu seinem Nachfolger ernannt. Obwohl ihr noch gar nicht erwachsen seid.« Sie breitete die Arme aus – eine Geste des Erstaunens. »Wir wollen nicht, dass ihr über unser Schicksal entscheidet. Jetzt können wir euch noch sagen, was ihr tun sollt, und ihr gehorcht. Aber so werdet ihr in zehn oder zwanzig Jahren nicht mehr sein.« Sie schluckte. »Oder in hundert Jahren.«
»Wir werden euch kein Leid zufügen.«
Jetzt klang sie verbittert, vielleicht sogar gebieterisch, als hätte sie ihre Deckung vernachlässigt und würde nun wieder ihre übliche wachsame Haltung einnehmen. »Leid kann in vielerlei Formen auftreten.«
»Was würdest du mit uns tun, wenn du die freie Wahl hättest?«, fragte ich.
»Ich würde euch fortschicken. Rauskriegen, wie dieses verdammte zurückgebliebene Schiff funktioniert, damit ihr einsteigen und verschwindet könnt.«
Das war immer noch besser, als hätte sie gesagt, sie würde nach wie vor den Wunsch verspüren, uns zu töten. Sie konnte nicht wissen, wie oft ich mir gewünscht hatte, diese Welt zu verlassen, wie oft ich mir vorgestellt hatte, loszufliegen und zu meinem eigenen Volk zurückzukehren.
Sie stand auf und machte sich auf den Rückweg. Ich holte sie ein, und als wir das Ende des Stadtparks erreicht hatten, fragte ich: »Was genau erwartest du von uns auf diesem Ausflug? Welches Ergebnis würdest du als Erfolg verbuchen?«
»Repariert die Datennetzwerke und verbringt Zeit mit Alicia, um herauszufinden, wie sehr sie wirklich verletzt ist.«
»Wenn ich das tue, wirst du dich dann für unsere Bürgerrechte einsetzen? Wir haben sie uns verdient.«
»Du bist die Anführerin, Chelo. Verdien dir deinen Lebensunterhalt. Hör auf, Joseph in Schutz zu nehmen, und bring ihn dazu, sein Potenzial zu entfalten. Wir brauchen die Netzwerke.«
Ich wusste, was sie brauchte, aber ich wusste nicht, wie ich es ihr geben sollte.
Kapitel 10
AUF DEM HOCHWEG
Am nächsten Morgen standen Joseph und ich früh auf und folgten Tom durch den Nebel zum Gebrastall. Kayleen, Paloma und Alicia waren bereits eingetroffen und hatten ihre Vorbereitungen fast abgeschlossen. Kayleen und Alicia waren gemeinsam damit beschäftigt, eine Satteltasche auf ein Gebra zu schnallen. Ich hielt inne, als ich plötzlich ihre Ähnlichkeit bemerkte. Sie waren gleich groß, nur ein wenig kleiner als ich, und ihre helle Haut und das dunkle Haar machten sie fast zu Spiegelbildern, wenn man nicht auf den Unterschied zwischen Kayleens flussblauen und Alicias violetten Augen achtete. Oder, wie ich mit einem Blick nach unten feststellte, auf den Unterschied zwischen ihren Fußlängen. Ich unterdrückte ein amüsiertes Glucksen. Kayleens Füße sahen wirklich seltsam aus, aber in Artistos war sie die Einzige, die ohne ein Seil einen Pongabeerenbaum hinaufklettern konnte.
Kayleen sah mich mit einem leichten Grinsen und leuchtenden Augen an. »He, Schlafmütze, du hast die Ostsippe verpasst. Bei Sonnenaufgang sind sie losgezogen.«
Also hatte Nava sich nicht von Ruth verabschiedet. »Dann habe ich wohl nicht allzu viel verpasst.« Ich bemerkte Alicias erschrockenen Blick und bereute meine Flapsigkeit. »Es dürfte einfacher für uns sein, wenn wir ihnen nicht Lebewohl sagen müssen.«
Alicia lachte. Es klang leise und erstickt. »Ich habe keinerlei Bedürfnis, sie jemals wiederzusehen.« Als sie auf einen Hocker stieg, um die Satteltaschen ihres fast pechschwarzen Gebras Tinte festzuzurren, fügte sie hinzu: »Mit
Weitere Kostenlose Bücher