Sternenwind - Roman
haben es ein paar Leute gesehen. Aber wir bemühen uns, es ihnen nicht unter die Nase zu reiben.«
»Bekommt ihr jemals Schwierigkeiten, wenn ihr so schnell rennt?«
»Wei-Wei wirft uns finstere Blicke zu.«
Sie lachte. »Das ist gar nicht so schlecht.« Sie stand auf und blickte über den See. »Sie haben mich noch nie zuvor eingesperrt, aber sie haben aufgepasst, dass ich in ihrer Nähe bleibe, wenn sie mich erwischt haben – wenn ich meine eigenen Fähigkeiten ausgelebt habe.« Sie bückte sich, um eine gelbe Blume zu pflücken. Dann hielt sie beide Leinen und die Blüte in einer Hand, während sie die langen spitzen Blütenblätter mit der anderen abzupfte. Eine leichte Brise vom See wehte ihr Haar zurück und legte die verheilenden Abschürfungen auf ihrer Wange frei. »Was willst du, Chelo? Vor dem Stadtrat hast du für uns gesprochen. Du bist die Älteste von uns, diejenige, auf die alle anderen hören. Sogar Liam. Was stellst du dir für uns vor?«
»Dass wir in Sicherheit sind. Dass wir so viel wie möglich über uns lernen – wer wir sind und wozu wir imstande sind. Dass wir ein normales Leben führen.« Ich kaute zögernd auf der Unterlippe und suchte nach den richtigen Worten. »Dass wir Fremont helfen oder vielleicht von hier wegfliegen.«
»Mir gefällt die Idee mit dem Wegfliegen.«
Tiger zerrte an der Leine, und es wurde schwierig, zwei Tiere zu führen, die mich vom Gespräch ablenkten. Wir ließen die Gebras eine Stunde lang auf der Lichtung grasen. Welche Diskussionen wurden gerade in Artistos geführt? Alicias Fragen zogen hundert weitere Fragen nach sich, einen Sturzbach all der Fragen, die auch mir durch den Kopf gingen. Ich sang den Gebras Lieder vor, während ich versuchte, einen Zusammenhang in das Durcheinander unterschiedlichster Möglichkeiten zu bringen. Ich hatte meine ganze Kraft darauf verwendet, für unsere Sicherheit zu sorgen. Nur Alicias Schürfwunden und Josephs Ängste hatte ich nicht verhindern können.
Kayleen war mit der Reparatur des Knotens fertig, und Paloma testete ihn. Alicia und ich packten alles bis auf die Alarmanlage ein. Die Gebras standen zufrieden da, nachdem sie gefressen und getrunken hatten, und ihr Geschirr lag ordentlich in einer Reihe neben dem Gehege. Wir setzten uns in den Kreis aus Baumstümpfen. Paloma unterhielt uns mit Geschichten über die Suche nach den Kräutern, die sie für ihre Salben benötigte, während meine Finger mit meinem Haar spielten und ich mir Sorgen machte.
Wir sprangen auf, als Tom und Joseph aus dem Unterholz hervorbrachen und auf die Lichtung stürmten. Joseph löste als Erster das Eingangssignal aus. Er riss an den Zügeln, so dass Sprinter kurz vor uns zum Stehen kam. Das Gebra tänzelte nervös. Ein totes Djuri, ausgeweidet und blutig, lag auf dem Sattelknauf, und zwei tote Stachelspringer hingen von der Rückseite des Sattels. Josephs Gesicht zeigte ein breites Grinsen. »Ich hab sie alle erlegt!«, krähte er.
Tom kam mit Zuckerweizen an Sprinters Seite. In seinen Augen funkelte Anerkennung und noch eine andere Gefühlsregung, die ich nicht genau zuordnen konnte. Eifersucht? Besorgnis? Fassungslosigkeit? »Es war ein unglaublicher Anblick!«
»Du hast ihm nicht gestattet, die Betäubungswaffe zu benutzen?«, fragte Paloma.
Er sah sie an, als wären ihr plötzlich zwei Köpfe gewachsen. »Natürlich nicht.« Er stieg ab und zog dann den Djuri-Kadaver herunter, so dass er mit einem dumpfen Aufprall im Gras landete. Es machte einen traurigen Eindruck, nachdem die schlanken Beine jegliche Anmut verloren hatten. Der Kopf hing schief am gebrochenen langen Hals und wurde auf unnatürliche Weise von den gekrümmten schwarzen Hörnern gestützt. Sprinter trat zur Seite, als wollte er sich so weit wie möglich von dem toten Tier entfernen.
Joseph strahlte fast vor Stolz. »Ich … ich habe Sprinter am Rand einer Lichtung angebunden. Zuerst habe ich die Stachelspringer erwischt.« Er zeigte darauf. Sie hingen an ihren langen dornigen Schwänzen, von Lederriemen gehalten, die durch Sattelringe gezogen waren. Sie hatten sich Fett angefressen; es waren braune stachelige Kugeln von der doppelten Größe meiner Faust. Ihre langen, kräftigen Beine hingen schlaff herab, ihr hartes Fell war gebrochen. »Ich sprang ihnen in den Weg. Einfach so. Ich wusste genau, wo sie sein würden, also war ich kurz vorher da.« Wieder lächelte er und streckte die Hände aus, damit ich die leichten Kratzer sehen konnte, wo sich das Fell der
Weitere Kostenlose Bücher