Sternenzitadelle
Das würde alle meine Probleme lösen.
Dieser Gedanke, der ihm zuerst wie ein verrückter Traum erschienen war, kam ihm nun völlig logisch vor.
Jek saß noch immer auf dem Schemel, schloss die Augen und versuchte, das Stadium der inneren Stille zu erreichen. Diese Phase kostete ihn viel Zeit, weil er zum ersten Mal Sharis Befehle missachtete und Schuldgefühle an ihm nagten und ihn daran hinderten, sich zu entspannen.
Er öffnete die Augen und stellte erstaunt fest, dass um ihn herum pechschwarze Nacht herrschte. Heftiger Regen trommelte auf das Dach. Kurz spielte er mit dem Gedanken, eine Kerze anzuzünden, so sehr bedrückten ihn die Finsternis und das prasselnde Wasser. Doch er unterdrückte sein Schaudern und schloss die Augen wieder.
Sofort verflüchtigten sich alle seine Gedanken, wie verweht von einer kräftigen Brise, und das Antra, der Klang des Lebens, erhob in seinem Inneren die Stimme. Schnell
erreichte er jenen Knotenpunkt, von dem die Wege abgingen, jene ätherischen Schluchten und Tunnel, alle in blaues Licht getaucht.
»Die Wahrnehmung dieser Routen ist immer eine persönliche«, hatte Shari ihm erklärt. »Mein Vater Tixu hat mir erzählt, dass er sie anfangs wie die Partikelfilter eines alten Deremats erlebte.«
»Und du, wie siehst du sie?«
»Wie das Leuchten von Onikis Liebe …«
Jek glitt in die erste vor ihm liegende Öffnung und hatte sofort das Gefühl, von einer Welle unendlicher Energie ergriffen zu werden, während er im Zustand eines nie gekannten Glücks, jedoch ohne jedes Zeitgefühl, durchs All raste. Sein letzter Gedanke galt Yelle, ehe sich sein Körper in einen heißen, flüchtigen Aggregatzustand verwandelte.
Der Scaythe, ein ranghohes Mitglied der heiligen Inquisition und somit in einen roten Kapuzenmantel gehüllt, gab sich große Mühe, die kleine Gestalt auf dem belebten Rakamel-Markt in Anjor nicht aus den Augen zu verlieren. Es wäre für den Inquisitor viel einfacher gewesen, dem mentalen Prägungsmuster zu folgen, doch leider war Kyax außerstande, in das Gehirn des Verfolgten einzudringen.
Als Erstes hatte die seltsame und auf Ut-Gen unübliche Kleidung des Jungen, er trug Tunika und Baumwollhose, Verdacht bei dem Scaythen erregt, weil der Planet von der Kirche des Kreuzes und dem Staat streng überwacht wurde. Alle Deremat-Reisen wurden kontrolliert und es war extrem schwierig, zu anderen Planeten des Ang-Imperiums zu gelangen. Wie also hätte ein Zwölfjähriger solche Hindernisse überwinden können, ohne die Hilfe eines illegalen Netzwerks? Doch seiner schmutzigen und abgerissenen
Kleidung nach zu urteilen, stammte dieser Junge aus keiner begüterten Familie, und ungesetzliche Transfers kosteten ein Vermögen. Außerdem schien er sich genau in der Stadt auszukennen.
Das alles hatte Kyax irritiert. Deshalb hatte er sofort mit einer Durchsuchung des Gehirns des Jungen begonnen, war aber auf unüberwindliche Hindernisse gestoßen. Zum ersten Mal war ihm das bei einem Menschen passiert. Also hatte er seine Bemühungen intensiviert und bis zur Schmerzgrenze ausgedehnt. Umsonst. Das Gegenteil war eingetreten: Er hatte eine Botschaft empfangen, die zwar für ihn nicht schmerzhaft war, da Scaythen keinen Schmerz kannten, die er aber als lebensbedrohlich empfand – und die somit ganz Hyponeros bedrohte.
Nach einigem Zögern hatte Kyax deshalb um eine sofortige Unterredung mit dem Scaythen Horax gebeten, dem persönlichen Ratgeber des Kardinal-Gouverneurs Xandius de Mermer und Großinquisitors des Planeten Ut-Gen.
»Ich hoffe, Sie haben gute Gründe, mich zu stören, Keimling Kyax«, hatte Horax geantwortet. »Wir beginnen mit der letzten Phase des Plans, und ein jeder muss unbedingt die ihm zugewiesene Aufgabe erfüllen.«
»Es gibt etwas Neues. Ich verfolge gerade ein Kind, in dessen Gehirn ich nicht eindringen kann. Es wird durch eine Vibrationsbarriere geschützt.«
»Ein Utgenianer?«
Das war für einen Scaythen eine absurde Frage, da er ständig mit den Basisdaten aus dem Matrix-Bottich in Verbindung stand. Deshalb antwortete Kyax erst nach einer Weile.
»Wie soll ich das wissen? Schließlich kann ich nicht in seinem Gehirn lesen. Seiner Kleidung nach kommt er aus
einer anderen Welt, aber er scheint sich gut in Anjor auszukennen.«
»Beschatten Sie ihn weiter, Keimling Kyax. Es könnte möglich sein, dass dieses Kind ein Adept der Inddikischen Wissenschaften ist, ein Ur-Mensch. Diese Vibrationsbarriere, von der Sie gerade sprachen, ist ein Teil
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