Sternenzitadelle
hergingen, beobachtete Whu den Sbaräer aus den Augenwinkeln. Von einem Individuum, das zur Betonung seiner Männlichkeit sein Messer wie einen erigierten Penis trug, war nichts Gutes zu erwarten. Wenn er weiterhin auf diese Weise prahlend herumpöbelte, würde er im Netzwerk nicht lange überleben. Jankl Nanupha wusste es zu schätzen, wenn neue Mitglieder möglichst diskret und effizient arbeiteten, ohne Klagen alle Befehle ausführten, und der Capo hatte überhaupt kein Verständnis für diese Perversen, die glaubten, die Menschen – Ware erst einmal »ausprobieren« zu müssen.
Whu bedauerte es, seine Atemmaske abgenommen zu haben. Der Wind trieb Staubwolken vor sich her, verstopfte seine Nase und legte sich wie ein feiner Film auf seine durchgeschwitzte Kleidung. Der Himmel war jetzt klar, und das Doppelgestirn warf gleißendes Licht vom Himmel.
»In kaum einer Stunde werden wir fünfzig Grad haben!«, schimpfte Bauch-Aufschlitzer weiter. »Der Capo muss verrückt sein, wenn er uns bei solchen Temperaturen ins Gebirge schickt!«
Die beiden Männer gingen ins Haupthaus, ein massives, mit einem terrassenförmigen Dach versehenes Gebäude, dessen Wände mit Schießscharten versehen waren. Die Wachhabenden verzichteten auf die sonst übliche Durchsuchung, weil Todes-Schrei als der designierte Nachfolger des Capos galt.
Auf ihrem Weg zum Büro warf Bauch-Aufschlitzer dem Älteren einen bewundernden und gleichzeitig neidischen Blick zu. Hätte er allein an dem Wachposten vorbeigehen müssen, hätten die Männer sich einen Spaß daraus gemacht, ihn auf demütigende Weise einer Leibesvisitation zu unterziehen – von Kopf bis Fuß, nackt und mit gespreizten Beinen, eine Sonde im After. Unter allen möglichen Vorwänden erniedrigten sie die neuen Mitglieder des Netzwerks, und Bauch-Aufschlitzer hatte sich schon öfter zurückhalten müssen, ihnen nicht seinen Dolch in den Leib zu stoßen.
Um einen Schreibtisch aus Edelholz herum standen etwa zwanzig Anführer des Razzia-Teams, die »Kams«. Helles Licht fiel durch die großen Fenster mit den Rundbögen. Die in der Luft schwebenden Klimatisierungs-Kugeln summten leise, ein Geräusch, das dem Summen der Großen Hirschkäfer während der Jahreszeit des Weißen Himmels glich.
»Wir haben alle auf dich gewartet, Todes-Schrei«, sagte Jankl Nanupha.
Der Herr des Netzwerks beugte sich nach vorn und entnahm einer Dose aus rosa Optalium eine Endorphin-Zigarette. Er war klein, hatte ein pockennarbiges Gesicht und stechende Augen. Sein fülliges schwarzes Haar glänzte ölig, und er war wie immer in Weiß gekleidet. Sein unsteter Blick und die lebhaften Gesten passten nicht zu seiner dunklen Stimme und seiner unerschütterlich ruhigen Sprechweise.
Da er Ärzten kein Vertrauen schenkte, bekämpfte er seine unerträglichen Schmerzen wegen eines Magengeschwürs mit jenen Opiat-Analoga, die aus den Körpern unverkäuflicher Waren-Menschen gewonnen wurden, und die er mit
dem Tabak aus den Skoj-Welten mischte. Es hieß, er habe persönlich Dons Asmussa und seine Gattin, Dame Moniaj, gekannt, aber Whu war sicher, dass der Capo diese Legende selbst in die Welt gesetzt hatte.
»Ich bin zu erschöpft, um dich zu begleiten, Todes-Schrei. Deshalb musst du die Leitung der gesamten Operation übernehmen. Die Nachfrage für Jungen unter zehn Jahren ist sehr groß. Doch es ist Vorsicht geboten. Denn selbst wenn diese Gebirgsstämme unter dem Einfluss der Himâs, der Seherinnen, stehen, herrschen die Männer. Und das Patriarchat schützt vor allem seine Söhne, die Erben. Den Familienoberhäuptern ist es völlig egal, ob sie ihre Töchter oder gar ihre Frauen verlieren.«
Dann drückte er auf einer in seinen Schreibtisch integrierte Tastatur die Eingabetaste, und eine holographische Karte wurde an die Wand projiziert. Mit dem Zeigefinger deutete er auf die Hochebene inmitten des Gebirges.
»Die Abrazzen haben wir seit zehn Jahren nicht mehr aufgesucht. Die Bevölkerung sollte inzwischen genug Zeit zur Regeneration gehabt haben.«
»Viel zu gefährlich!«, warf einer der Kams ein. »Ich habe gehört, dass die Bande von Perp Hubra den Abrazzen Waffen verkauft hat …«
Ein Blick, der hätte töten können, unterbrach den Störenfried, einen großen ungehobelten Kerl mit wirrem Haar und ungepflegtem Bart.
»Seit wann lässt du dich von Gerüchten und ein paar ungebildeten Gebirglern einschüchtern, Augen-Stecher?«
Der Kam schwieg. Er wusste, dass ihn noch eine Widerrede das Leben
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