Sternhagelverliebt
Greer in das Passwort-Fiasko verwickelt war.
»Ach, das … Danke übrigens.«
»Gern geschehen. Möchtest du mir davon erzählen?«
Ja, plötzlich will ich das. Ich wünsche mir, mit jemandem über all das zu reden, was ich getan habe und was ich durchgemacht habe. Und nicht so, wie Bob es von mir verlangt. Oder wie Saundra es verlangen würde. Ich will nicht zu einem Treffen gehen. Ich will nicht beichten. Ich möchte nur, dass jemand kreischt und sagt: »Oh, mein Gott!«, und mich in den Arm nimmt, falls ich weinen muss (was angesichts meiner Tränenausbrüche in der
Oasis
nicht ganz unwahrscheinlich ist), und mich am Ende von aller Schuld freispricht.
Also warne ich Greer, dass jetzt etwas Großes kommt, und dann erzähle ich ihr alles.
Tag 2 : Heute muss tatsächlich etwas geschrieben werden.
Der Tag beginnt mit einem Lauf am Wasser ( 22 Minuten), dem gesündesten Frühstück, das ich je zu mir genommen habe (Joghurt mit frischen Früchten), und einer SMS von Amber, die fragt, ob ich später mit ihr einkaufen gehen möchte.
Verdammt. Hat diese Frau denn keine Freunde? Es kommt mir vor, als hätte sie eine Art sechsten Sinn, wie sie mir an die Nerven gehen kann.
Nein, Katie, das ist nur dein Gewissen, das dir an die Nerven geht.
Ich wünschte, das würde es nicht.
Verständlich.
Während ich darüber nachdenke, wie ich Amber antworte, reiße ich einige Seiten aus meinem Tagebuch und breite sie auf dem Fußboden aus. Meine sorgfältigen Notizen der ersten Wochen haben schnell wahllosen Kritzeleien und Schlagwörtern Platz gemacht, mit denen ich jetzt kaum noch etwas anfangen kann.
Wie mit diesem Eintrag:
Fight Club & Glühwürmchen.
Was zur Hölle soll das bedeuten?
Ich erinnere mich an unsere Unterhaltung über Glühwürmchen … An einem Abend gingen wir nach dem Film (
27
Dresses,
muss man nicht gesehen haben) spazieren und entdeckten einen Schwarm Glühwürmchen, die hin und wieder aufleuchteten. Es war wie in dem Song
Lay You Down
von Andrew Ryan – bis auf die Tatsache, dass Amber und ich nicht verliebt sind. Wie auch immer, Amber war echt überrascht; sie hatte noch nie Glühwürmchen in freier Natur gesehen.
Doch
Fight Club?
Ich lasse den Film in Gedanken Revue passieren. Brad Pitt? Edward Norton? Nein, nein, nein. Sich gegenseitig ins Gesicht schlagen? Das ist es auch nicht … Einen Augenblick mal … Gut, sie sagte, dass sie sich wünsche, dass man uns gute Filme zeigen würde. Daraufhin unterhielten wir uns über Filme, in denen Selbsthilfegruppen vorkommen, und eine von uns brachte die Sprache auf
Fight Club,
weil Edward Norton seine Freundin in einer solchen Selbsthilfegruppe kennenlernte. Amber sagte mir, dass sie das manchmal täte, wenn sie gelangweilt sei. Sie verkleide sich dann und setze sich in irgendein Zwölf-Schritte-Meeting. Anonyme Alkoholiker. Selbsthilfegruppe Esssucht (obwohl man sie bat, das Treffen zu verlassen – und zwar nicht gerade freundlich). Aggressionsbewältigung.
Sollte diese Notiz mich daran erinnern, etwas über ihre Teilnahme an Zwölf-Schritte-Meetings als eine Analogie für unsere prominentenfixierte Kultur zu schreiben? Sollte ich tatsächlich so tiefsinnig gewesen sein? Irgendwie bezweifle ich das.
Ich lege das Blatt zur Seite und nehme mir ein anderes und noch ein anderes, aber es kommt nichts dabei heraus. Gegen fünf gebe ich schließlich verärgert auf und suche Unterschlupf unter einer Decke auf der Couch. Ich schiebe Staffel 1 von
The Wire
in den DVD -Player. (Zeitschinden für Autoren – Tipp Nr. 3 : Tauch ab in eine TV -Serie; vorzugsweise in eine mit vielen Folgen, die auf DVD erhältlich sind.) Ich schaue mir die Hälfte der Staffel an und schreibe nichts. Morgen habe ich hoffentlich mehr Glück.
Tage 3 und 4 : Jetzt muss ich aber wirklich etwas schreiben, sonst bedarf das beklemmende Gefühl in meiner Brust ärztlicher Behandlung.
Mehr Jogging ( 20 und 19 Minuten – ein Rückschritt, ich weiß, doch ich bin abgelenkt und schlafe kaum), mehr gesundes Essen. Mehr Nachrichten von Amber, denen ich ausweiche. Viele Stunden, die ich damit zubringe, über mein Dilemma und den Rat nachzugrübeln, den Greer mir vor ein paar Tagen gegeben hat.
»Schreib den Artikel nicht«, erklärte sie sachlich, als ich sie fragte, was ich tun solle.
»Aber nur so kann ich den Job bei
The Line
bekommen.«
»Und? Es wird noch andere Jobs geben.«
»Ich bin doch schon dreißig. Über Musik zu schreiben ist eigentlich ein Job für
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