Sternhagelverliebt
eine Masochistin? Gierig nach Bestrafung? Bin ich total verrückt geworden oder habe ich eine übermenschliche Fähigkeit entwickelt, Schuldgefühle auszuhalten?
Nein.
Ich mag Amber einfach, und in einer kleinen Ecke meines Hirns, die nicht von Vernunft beherrscht wird, habe ich immer noch ein Fünkchen Hoffnung, dass sich alles zum Guten wenden wird. Dass Amber nie etwas von dem Stapel Papier erfahren muss, der auf meinem Schreibtisch liegt. Und falls das nicht klappt (gut,
wenn
es nicht klappt), bleibt mir immer noch dieser eine Abend als eine schöne Erinnerung.
Als ich die Nachricht erhalte: Komm um 8:30 ins
Stolen
. Bist auf der Liste. Bring eine Freundin mit, wenn du willst! , denke ich nicht darüber nach, ob ich gehen soll oder warum ich gehen will. Stattdessen springe ich unter die Dusche und durchsuche meinen Schrank. Als ich zu dem Schluss komme, dass nichts, was ich besitze, auch nur annähernd cool genug für einen Abend im
Stolen
ist, rufe ich in meiner Panik Greer an, überrede sie, mir etwas zum Anziehen zu leihen, und verspreche ihr im Gegenzug, sie mitzunehmen.
45 Minuten später taucht Greer auf. Sie sieht fabelhaft aus in ihrem braunen Wildlederrock und dem grünen Neckholdertop dazu. Ihre Haare sind perfekt verwuschelt. Wenn sie nicht einen Kleidersack mit meinem Outfit dabeihätte, würde ich die ganze Sache abblasen.
Als unser Taxi um Punkt 20 : 30 Uhr kommt, trage ich ein schwarzes Leinenkleid mit einem Band um die Taille, das die großartigen Nebenwirkungen meiner Entziehungskur-Diät unterstreicht und die Dinge versteckt, die niemals verschwinden werden. Mein Haar ist geglättet, und es ist toll, zurechtgemacht worden zu sein und sich hübsch zu fühlen.
Das
Stolen
befindet sich in einem Gebäude im alten Bankenviertel, und die junge Prominenz der Stadt schlängelt sich in einer langen Reihe am Block entlang und hofft, noch in den Club gelassen zu werden. Wir gehen zum Anfang der Schlange und kommen an Grüppchen halbverhungerter schöner Menschen vorbei. Mir ist irgendwie schwindelig, als hätte ich ein paar Gläser Champagner getrunken. Wir stehen auf der Gästeliste! Wie cool ist das denn?
Ich gebe der abgemagerten Frau in dem rückenfreien schwarzen Cocktailkleid an der Tür meinen Namen. Als sie mit ihrem rotlackierten Fingernagel über die Liste fährt, sagt ihre ganze Haltung: »Unter keinen Umständen kommt ihr beide hier rein.« Doch dann entdeckt sie meinen Namen mit einem
plus
1
direkt unter Ambers. Geschlagen zuckt sie die Schultern, ehe sie ein einladendes Lächeln aufsetzt.
Eine Kellnerin führt uns eine breite Treppe hinab ins Herzstück des Restaurants, das sich auf dem alten Börsenparkett befindet. Die Decke ist gute zehn Meter hoch. Die Höhe wird durch helle Deckenfluter noch betont, die samtene Vorhänge beleuchten. Der Raum wirkt lebendig, jung – der hippste Ort, an dem man sein kann.
Amber sitzt mit drei beinahe nicht zu unterscheidenden blondgefärbten Frauen in kurzen, glitzernden Designerkleidern, die ich schon mal bei
Fashion Television
gesehen habe, an einem Tisch. Sie winkt uns munter zu, als wir auf sie zukommen, und springt auf, um mich zu begrüßen. Ihr weißer Hosenanzug betont ihre gebräunte Haut. Sie sieht gesund aus.
»Katie! Es ist eine
Ewigkeit
her! Du siehst großartig aus!«
»Danke. Du auch. Das ist meine Freundin Greer …«
»Hi, Greer! Ich bin Amber.«
»Freut mich, dich kennenzulernen.«
»Bist du Schottin? Ich
liebe
Schottland!«
Was hat dieses Mädchen genommen?
Ich betrachte sie genauer und versuche, herauszufinden, ob diese neuentdeckte Begeisterung durch chemische Substanzen zustande gekommen ist. Aber sie scheint nur aufgeregt und glücklich zu sein, nicht high.
»Warst du schon mal da?«, fragt Greer.
»Schon oft. Ich war auf dem Festival in Glasgow, doch Edinburgh liebe ich besonders.«
Ich lächele in mich hinein, als Amber das Wort wie »Edinborough« ausspricht. Greer wird sie lieben.
Und tatsächlich wirft Greer ihr ein warmherziges Lächeln zu.
Amber stellt uns ihre drei Freundinnen vor: Olivia (ihre Pressesprecherin), Eva (ihre Visagistin) und Steph (ihre persönliche Assistentin). Sie sind alle Mitte 20 , die typischen Partygirls eben, mit denen Amber sich in den letzten Jahren herumgetrieben hat.
Die Kellnerin kommt, um unsere Getränkebestellung aufzunehmen. Greer und die Partygirls bestellen Cocktails, und Amber ordert eine Flasche
San Pellegrino
für uns beide. Wir sehen uns die Speisekarte an.
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