Sternhagelverliebt
See herum. Als wir näher kommen, wird klar, dass es sich um einen Menschen handelt. Genauer gesagt, um eine zierliche Person, die auf dem Fußboden hockt und die Knie an die Brust gezogen hat.
»Amber«, sagt Henry behutsam.
Sie sieht nicht auf, sie wiegt sich nur vor und zurück.
»Wir sind’s – Henry und Kate. Hab keine Angst, Amber.«
Ein kleines Aufschluchzen entringt sich ihr, und jetzt bin ich mir sicher, dass es Amber ist. Wir haben sie gefunden.
Vorsichtig gehen wir auf sie zu, nähern uns langsam, damit wir sie nicht erschrecken. Ihre Haare sind zerzaust, und der Hosenanzug, den sie letzte Nacht schon getragen hat, ist schmutzig und zerrissen.
Ich knie mich neben sie. Das Gras ist feucht und riecht nach Moor. Ich lege meine Hand auf ihre Schulter. Durch den dünnen Stoff hindurch fühlt sich ihre Haut eiskalt an. »Amber, ist alles in Ordnung?«
Wieder wippt Amber nur vor und zurück. In ihrer Hand hält sie etwas, das aussieht, als wäre es aus Glas.
»Gib mir die Pfeife, Amber«, sagt Henry.
Amber schüttelt entschieden mit dem Kopf.
»Komm schon, Amber. Gib sie mir.«
Sie schüttelt den Kopf und umklammert die Pfeife noch fester.
Henry hockt sich auf ihre andere Seite und nimmt ihre Hand. Sanft löst er ihre Finger. Auf ihrer Handfläche liegen eine Glaspfeife und ein Brocken einer grauweißen Substanz – das muss Crack sein.
»Amber, hast du was genommen?«, fragt er eindringlich.
»Nein«, erwidert sie leise.
Henry legt einen Finger unter ihr Kinn und hebt ihr Gesicht an. »Amber, sei ehrlich. Hast du heute etwas genommen?«
»Nein. Noch nicht.«
»Wie lange bist du schon hier?«, will ich wissen.
Sie wendet sich mir zu. Ihre Augen wirken schwarz. »Seit dieser beschissene Connor Parks seine Zunge in den Hals dieses Miststücks gesteckt hat.«
»Gibst du mir das?«, fragt Henry.
Sie schließt die Hand wieder und drückt sie an ihre Brust. »Warum?«
»Damit ich es wegwerfen kann.«
»Nein, ich brauche es später noch.«
»Das wirst du nicht«, entgegne ich.
»Das weißt du doch gar nicht. Ich könnte es noch brauchen.«
»Nein, Amber, du brauchst keine Drogen mehr.«
»Das stimmt«, sagt Henry. »Du hast das Schlimmste überstanden. Du schaffst das ganz allein.«
Eine Träne rinnt ihr über die schmutzige Wange. »Aber es tut weh.«
Ich suche nach den richtigen Worten. Worte, die Saundra benutzen würde. »Ich weiß, dass es weh tut. Und es wird auch weiterhin weh tun, vielleicht für lange Zeit. Aber das hier tut dir noch viel mehr weh. Das hier kann dich umbringen. Und du willst nicht sterben.«
»Vielleicht will ich das aber doch.«
»Nein, das willst du nicht.«
»Woher weißt du das?«
»Weil ich dich im vergangenen Monat beobachtet habe. Du bist zwar manchmal unglücklich und meinst, dich bestrafen zu müssen – aber sterben willst du nicht, Amber. Es gibt zu vieles, was du noch tun und erleben willst.«
»Und das wäre?«, schnieft sie.
Ich denke nach. »Du willst zum Beispiel Rodney überzeugen, dich für eine Rolle in einem seiner Filme zu besetzen.«
Ich glaube den Anflug eines Lächelns gesehen zu haben, doch sie öffnet ihre Hand noch immer nicht.
Ich fange Henrys Blick auf und forme lautlos mit den Lippen: »Sag etwas.«
Über ihren Kopf hinweg nickt er mir zu. »Amber, wenn du jetzt nachgibst, lässt du Connor gewinnen.«
»Und?«
»Diese Genugtuung willst du ihm doch nicht verschaffen, oder?«
Sie sieht ihn argwöhnisch an. »Was kümmert es dich, Henry? Wann hat dich je etwas anderes interessiert außer Connor?«
»Amber, das ist nicht fair. Henry hat dich den ganzen Tag lang gesucht.«
Sie wischt sich die Tränen vom Gesicht. »Wie immer macht er die Drecksarbeit für Connor.«
Henry presst die Lippen aufeinander. »Nein, Amber, diesmal nicht. Ich arbeite nicht mehr für ihn.«
»Nicht?«, stoßen Amber und ich gleichzeitig hervor.
»Nein. Ich habe gestern Abend alles hingeschmissen.«
»Echt?«
»Echt.«
Amber sieht ihn starr an, und er erwidert ihren Blick. Schließlich streckt sie den Arm aus und lässt den Stein und die Pfeife in seine Hand fallen. Henry wirft den Stein auf den Boden und zermalmt ihn mit seinem Schuh, bis sich das Pulver mit dem Schmutz vermischt.
»Danke, Amber. Und jetzt bringen wir dich nach Hause.«
Als wir in Ambers Apartment ankommen, warten Olivia und Steph auf uns. Sie führen die erschöpfte Amber ins Schlafzimmer.
Ihre Wohnung im obersten Stockwerk eines schicken Hochhauses ist ein riesiges,
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