Sternstunde der Liebe (German Edition)
Stern bei Tagesanbruch entdeckt, um sich etwas zu wünschen. Da sie wusste, dass sie noch eine weitere Etappe vor sich hatte, gab sie Gas und fuhr in die Mitte des Sunds.
Das war ihr der liebste Ort auf der ganzen Welt. Obwohl es keine Markierungen, keine Gräber gab, wusste sie, dass ihre Eltern hier ihre letzte Ruhe gefunden hatten. Ihr Schiff, die Sundance, war vor sechs Jahren an dieser Stelle untergegangen. Quinn konnte sie vom Fenster ihres Schlafzimmers sehen, auf dem Hügel in Hubbard’s Point, aber das war nicht zu vergleichen mit dem Gefühl, wirklich hier zu sein.
Noch zwei Jahre nach ihrem Tod hatte Quinn eine Meerjungfrau gehört und flüchtig gesehen. Die Begegnung war gespenstisch und ungewöhnlich gewesen, aber das machte ihr nichts aus: Sie wusste, es war ihre Mutter, die sich in der Nähe aufgehalten hatte, um sich zu vergewissern, dass es ihr, Allie und Tante Dana gut ging.
Vor noch längerer Zeit hatte Rumers Mutter ein Einhorn gesehen und gesagt, wenn es in Hubbard’s Point um Liebe gehe, die einzig wahre, dann könne von Magie keine Rede sein – sie sei ganz und gar real. Quinn war immer der Überzeugung gewesen, dass sich hinter dem Einhorn der Geist von Verstorbenen in Mrs. Larkins eigener Verwandtschaft verbarg.
Quinn suchte den Hunting Ground mit den Augen ab, hielt Ausschau nach einem Zeichen. Ihre Mutter sollte erfahren, dass heute der Hochzeitstag ihrer Schwester war. Als sie an Allie dachte, versuchte sie sich vorzustellen, wie es wäre, wenn sie bei Quinns Trauung nicht dabei sein könnte.
»Hey, Mom!«, rief Quinn laut. Sie spähte nach einem Spritzer, nach einer ausbrechenden Welle aus, nach dem Aufblitzen eines silberblauen Fischschwanzes und dem Haar einer Meerjungfrau, das aus Meerseide bestand. Nichts. Vielleicht war sie nun zu alt, um solche Erscheinungen zu sehen. Sie war über das Bedürfnis hinausgewachsen – oder dergleichen. Aber Quinn war aus einem bestimmten Grund hier, und kein noch so heftiger Regen konnte sie von ihrem Vorhaben abbringen.
Sie öffnete ihre Segeltasche und holte einen Blumenstrauß hervor, den sie am Morgen gepflückt hatte, ganz in Weiß gehalten. Allie und sie hatten die ganze Woche lang die Gärten auf dem Kap geplündert und Blumen für die Hochzeit gesammelt, aber Tante Dana hatte gewiss nichts dagegen, dass sie ein paar für ihre Mutter zurückbehalten hatte.
»Für dich, Mom«, rief Quinn und streute die weißen Lieblingsblumen ihrer Mutter auf die grauen Wellen. »Damit du Bescheid weißt … und bei uns bist. Tante Dana hat gesagt, dass du ihre Brautführerin wärst, wenn du noch leben würdest … und dass sie an Daddys Arm anstelle des Brautvaters durch den Mittelgang der Kirche zum Altar schreiten würde …«
Der Motor ihres Bootes brummte stetig vor sich hin. Seemöwen und Seeschwalben flogen über ihren Kopf hinweg. In der Ferne glitt der Lichtstrahl des Leuchtturms von Wickland Rock ein letztes Mal über das Meer, dann erlosch er für den Tag. Das Land an der Küstenlinie von Connecticut zeichnete sich ab: Firefly Beach im Westen, Hubbard’s Point im Osten. Aber weit und breit waren keine Meerjungfrauen zu sehen.
Mit einem letzten Blick auf den Pfad aus weißen Blüten, von der Strömung westwärts getragen, wendete Quinn ihr Boot, hielt auf die Küste zu und fuhr wieder nach Hause. Sie musste die Hummer abliefern; sie wurden für das Hochzeitsmahl gebraucht. Als sie sich dem Wellenbrecher näherte – der molenähnlichen Anlage vor der Hafeneinfahrt –, sah sie zufällig den Hügel zu ihrem Elternhaus hinauf.
Zwei Meter weiter rechts wohnte Rumer. Eine Bewegung sprang ihr ins Auge – einen Moment lang war sie verdutzt, erinnerte sich an Mrs. Larkins Einhorn. Aber was immer es auch gewesen sein mochte, war im Dunst verschwunden. Donnerschläge hallten die Küste entlang, Blitze flammten auf. Quinn drehte den Gashebel voll auf und suchte Schutz in heimischen Gefilden.
»Es heißt, wenn es am Hochzeitstag regnet, wird die Ehe glücklich und lange währen«, sagte Sixtus Larkin, als er in seinem Cut unter dem Zelt stand.
»Wunderbar«, sagte Augusta Renwick, hoheitsvoll in fliederfarbener Seide. Sie war die Schwiegermutter von Sams Bruder. Sam liebte sie, und für sie war er wie ein Sohn. Ihr weißes Haar, gebürstet bis es glänzte und offen getragen, war mit echten Fliederzweigen geschmückt. »Dann werden Sam und Dana bis ans Ende ihrer Tage zusammen sein.«
»Das ist kein Platzregen, sondern eine Sintflut
Weitere Kostenlose Bücher