Sterntaler: Thriller (German Edition)
hatte das Gefühl, als würde das Böse unter seinen Füßen brennen.
»Tut das«, sagte er schließlich.
Und dann gab er Peder ein Zeichen, dass sie zum Auto zurückgehen sollten. Er hatte keine Lust, länger hierzubleiben.
Fredrika befühlte die goldene Uhr, die sie in den Händen hielt. Die goldene Uhr, die sie in dem Grab gefunden hatten und die dem unbekannten Mann hoffentlich einen Namen geben konnte.
»Trag mich. Deine Helena.«
Eine vieldeutige und schöne Widmung.
Trag mich.
Würde Fredrika jemals einen anderen Menschen derart auffordern? Wohl kaum.
»Sie ist schön«, sagte Ellen, als sie in Fredrikas Büro trat und die Uhr erblickte.
»Klassisch«, sagte Fredrika. Sie wog die Uhr, die vor langer Zeit aufgehört hatte zu ticken, in der Hand.
Ellen ließ sich auf einem Stuhl nieder. »Ich habe die Adresse, die wir von dem Händler bekommen haben, durchs Register laufen lassen. Keine Helena. Wer früher einmal dort gewohnt hat, lässt sich leider nicht mehr nachvollziehen.« Sie legte einen Notizzettel vor Fredrika hin. »Aber das hier ist die Nummer der Wohnungsgesellschaft. Die müssten sie in ihren alten Unterlagen finden können. Soll ich da mal anrufen, oder willst du es selbst machen?«
Fredrika zuckte mit den Schultern. Sie war aus dem Gleichgewicht geraten, seit sie Peder und Alex allein in der Löwengrube überrascht hatte. Irgendetwas war geschehen, und sie hatten ihr nicht erzählt, was.
»Ich rufe selbst an.« Sie zögerte kurz, dann fragte sie: »Ellen, weißt du, ob in den letzten Tagen irgendetwas Besonderes passiert ist?« Sie konnte sehen, dass Ellen nicht verstand, worauf sie hinauswollte. »Ich meine, in der Ermittlung.«
Der Blick der Kollegin war unsicher. »Nein, ich glaube nicht.«
Log sie? Fredrika konnte es nicht sicher sagen, sie merkte nur, dass ihr die Zeit wie Sand durch die Finger rann, und bemühte sich, nicht paranoid zu werden. Da hatte noch ein Mensch in dem Grab gelegen. Von starken Armen gewissenlos in die Erde geworfen.
Wer bist du?, fragte sie sich. Wer bist du, der wieder und wieder, ein Jahrzehnt nach dem anderen, mit zum Schweigen gebrachten Zeugen durch den Wald schleicht?
Spencer?
Der Gedanke war ihr unerträglich. Noch ehe sie ihn zu Ende gedacht hatte, radierte sie ihn wieder aus.
Was konnte die treibende Kraft hinter diesen Taten sein?
Fredrika fürchtete, dass es noch mehr Opfer gab. Plötzlich vermutete sie unter jedem Baum im Wald einen Toten. Die Vernunft sagte ihr, dass dies nicht möglich war, doch in dieser Ermittlung war von Vernunft bislang noch nicht viel zu spüren gewesen.
Spencer.
Spencer– den Rebecca Trolle versucht hatte zu kontaktieren. Der demselben Filmclub angehört hatte wie Thea Aldrin. Der sich darüber ausschwieg, warum er so angespannt und unglücklich war. Im Grunde glaubte Fredrika nicht einen Augenblick lang, dass Spencer etwas damit zu tun hatte, doch immer wieder auf Spuren zu stoßen, die ausgerechnet mit ihm im Zusammenhang standen, ließ die Frustration in ihr anwachsen, und sie spürte, wie ihr die Tränen kamen.
Verdammt, ich werde doch nicht so eine werden, die im Büro sitzt und heult!
Sie betrachtete den Zettel mit der Telefonnummer der Wohnungsgesellschaft. Hob die Hand, um die Nummer zu wählen, wählte dann aber eine andere. Die Zentrale der Universität Uppsala. Bat darum, mit dem Leiter des Instituts für Literaturwissenschaft, Erland Malm, verbunden zu werden. Das würde Spencer ihr niemals verzeihen. Aber sie musste es einfach wissen. Erland Malm war niemand, mit dem sie je Vertraulichkeiten ausgetauscht hätte, doch als nahe Angehörige von Spencer hatte sie ja wohl das Recht anzurufen und sich zu erkundigen, was vorgefallen war. Zumindest redete sie sich das ein.
Erlands Stimme war dunkel wie immer. Nur die von Spencer war noch dunkler. Und nur Spencer war beliebter und erfolgreicher als Erland. Einzig die Tatsache, dass Spencer an einem Posten wie dem des Institutsleiters mit all seiner Macht und all seinem Einfluss nicht interessiert war, hatte Erland jenes Amt beschert.
»Guten Tag, hier ist Fredrika Bergman.«
Wie oft waren Erland und sie sich schon begegnet? Einige Male. Erland war schon früh in die Beziehung zwischen Spencer und Fredrika eingeweiht gewesen, hatte akzeptiert, dass sie als seine Begleitung auf verschiedenen Konferenzen auftauchte. Er war immer höflich gewesen, niemals herablassend wie manche andere, die begriffen hatten, was Sache war, und ihre Beziehung
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