Sterntaler: Thriller (German Edition)
hoffentlich an der Reihe sein, ehe Saga aufwachte.
Die Sorge schmerzte in seinem ganzen Körper, und mit jedem Tag, der verging, wog sein Unglück schwerer. Er wusste, dass er von Anfang an mit Fredrika hätte reden sollen. Er hätte ihr sein Vertrauen beweisen und sich darauf verlassen müssen, dass sie seinen Worten Glauben schenkte.
Dann wandelte sich die Sorge in Wut. Schließlich war er nicht der Einzige, der ein Geheimnis hätte preisgeben müssen. Sie hatte ihn geradeheraus gefragt, ob er Rebecca Trolle gekannt habe, dann aber nichts weiter gesagt, sondern so getan, als gäbe es keinen besonderen Anlass für diese Frage.
Das passte alles nicht zusammen. Wie konnte sie ihr Kind ganze Tage mit ihm allein lassen, wenn sie gleichzeitig der Ansicht war, er könnte mehrere Menschen umgebracht haben? Er könnte die Leiche einer jungen Frau in mehrere Teile zersägt, die Teile durch einen Wald geschleppt und in die Erde geworfen haben und dann einfach davonspaziert sein?
Wir scheinen einander doch nicht zu kennen.
Er erinnerte sich allzu gern an ihre erste Begegnung. An die Zeit, da ihrer beider Beziehung noch ohne gegenseitige Ansprüche war. Sie sahen einander, wenn sie Zeit, Lust, die Gelegenheit dazu hatten. Ihre Beziehung war unschuldig und sündhaft gleichermaßen gewesen. Unschuldig, weil sie von einer seltenen Aufrichtigkeit geprägt war, und sündhaft, weil er verheiratet gewesen war.
Sie hatten trotzdem alles geteilt. Ihre Interessen, ihre Werte. Die wenigen Male, in denen keine Übereinstimmung da gewesen war, hatte die Liebe alles geheilt, was vielleicht hätte kaputtgehen können. Sie sahen sich immer häufiger, gingen Risiken ein, nahmen in Kauf, dass seine Kollegen sie bemerkten, wenn Fredrika bei seinen Dienstreisen auftauchte. Wenn sie in sein Zimmer schlich und in seinem Bett schlief.
Bald zwei Jahre war es her, da sie alles auf den Kopf gestellt hatte, indem sie ihrer Sehnsucht nach einem Kind Ausdruck verlieh. Sie sprach davon, ein Kind aus China zu adoptieren und es allein großzuziehen. Ohne ihn. Als der Schock sich gelegt hatte, hatte er gesagt: Wenn sie ein Kind wollte, dann wollte er es ihr gern schenken.
Schenken. Wie einen Blumenstrauß.
Sein Sprachgebrauch war wie aus einem vorigen Jahrhundert gewesen. Sie hatte trotzdem Ja gesagt. Und hatte ihm versichert, dass es keinen anderen Mann gebe, den sie lieber zum Vater ihres Kindes hätte. Als könne sie aus einer Vielzahl wählen.
Spencer wurde aus seinen Gedanken gerissen, als er an der Reihe war, an den Schalter der Meldestelle zu treten.
Er hatte seinen Anwalt aufgesucht und ihm die neue Situation dargelegt, in der er sich zu befinden glaubte. Uno war blass geworden und hatte nur gestammelt: »Wie zum Teufel bist du nur da hineingeraten, Spencer?«
Die Antwort war, dass er keine Ahnung hatte, und der Freund konnte ihm auch keinen weiteren Rat geben. Spencer konnte nur abwarten. Wenn die Polizei ihn ernsthaft des Mordes verdächtigte, dann würde er zum Verhör gerufen werden. Hielten sie ihn für gefährlich– was sie angesichts der Taten, derer er verdächtigt wurde, natürlich tun mussten–, dann würde er wahrscheinlich in Untersuchungshaft kommen.
Doch noch war seine Handlungsfähigkeit nicht eingeschränkt. Nach dem Verlassen des Anwaltsbüros war Spencer geradewegs nach Hause gegangen und hatte seinen Pass gesucht. Wenn ihm alles über den Kopf wüchse, dann wollte er das Land schnell verlassen können– zumindest vorübergehend. Um seines eigenen Seelenfriedens willen.
Doch der Pass war nur noch wenige Monate gültig, was die Anzahl der Länder, in die er würde einreisen können, begrenzte. Vogelfrei, wie er sich fühlte, war er deshalb zur Meldestelle gegangen und hatte einen neuen beantragt.
Als letzten Ausweg.
Falls es nötig werden sollte.
Wieder im Revier angekommen, eilten Alex und Peder durch den Flur und verschwanden jeder in seinem Büro.
Peder fuhr gerade den Computer hoch, als Fredrika vorbeikam. Versteinertes Gesicht, trauriger Blick. Peder, der kurz davor war, das Verhör mit ihrem Lebensgefährten vorzubereiten, hatte das Gefühl, das Recht verwirkt zu haben, sie zu fragen, was geschehen sei.
»Helena Hjort«, sagte Fredrika tonlos. Sie ließ sich von Erschöpfung gezeichnet auf Peders Besucherstuhl sinken.
Peder spürte, wie er neue Kraft bekam. »Die hat die goldene Uhr gekauft?«
Fredrika nickte. »Ich habe sie über die Wohnungsgesellschaft ausfindig gemacht und ihre derzeitige Adresse
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