Sterntaler: Thriller (German Edition)
Keine Ahnung. Alex hat schon gemeint, ihn gefunden zu haben, aber ich bin da nicht so sicher.«
»Wie schrecklich für seine Angehörigen!«
»Nicht zu wissen…?«
»Ja, niemals zur Ruhe kommen zu können.«
Peder schluckte. »Was glaubst du, wie lange man das Warten aushält?«
Ylva runzelte die Stirn. »Was meinst du damit?«
»Wie lange kann man warten, ehe man aufgibt? Wenn ein Freund oder ein Familienmitglied verschwindet und mehrere Jahrzehnte verschwunden bleibt?« Seine Stimme erstarb.
»Irgendwann muss man weitergehen«, sagte Ylva. »Das meinst du, oder?«
»Ja.«
Sie strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. »Das heißt aber nicht, dass man irgendwann aufhört, sich zu fragen, was wohl passiert ist.«
Peder sah vom Balkon auf die Nachbarhäuser und die Straße hinab, in der sie wohnten. Der Mann, der vergraben worden war, musste Angehörige gehabt haben, die ihn vermisst und sich gesorgt haben mussten. Die Frage war nur, ob sie sie finden und ihnen den Bescheid würden geben können.
Die Bäume warfen lange Schatten. Alex stand allein in der Waldlichtung und konnte die Kollegen, die ein Stück weiter Wache hielten, nur erahnen. Vor seinen Füßen tat sich ein Krater im Erdboden auf. Es muss schwer gewesen sein, hier zu graben. Steine und Baumwurzeln hatten die Spaten der Polizisten behindert und aus dem Weg geräumt werden müssen.
Alex ging in die Hocke und sah in die Grube. Hierher hatte ein Mörder mindestens zwei tote Körper geschleppt. Oder er hatte zwei Menschen hier vor Ort ermordet, das konnten sie noch nicht mit Sicherheit sagen. Sein Instinkt sagte Alex jedoch, dass die Morde an anderer Stelle stattgefunden hatten.
Du hast deine Opfer an diesen Ort gezerrt. Ich spüre, dass du wie ein Todesengel hier zwischen den Bäumen umhergegangen bist.
Er versuchte, den Tatverlauf zu rekonstruieren. Jemand fuhr zu dem Parkplatz, auf dem er selbst eben sein Auto abgestellt hatte. Öffnete den Kofferraum, hob die Leiche heraus und fing an zu gehen. Es muss dunkel gewesen sein. Und der Täter musste vorher schon einmal hier gewesen sein. Man geht nicht in einen dunklen Wald, ohne zu wissen, wohin man zumindest ungefähr unterwegs ist.
Und auch das Grab musste schon ausgehoben gewesen sein, als der Täter dorthin kam. Er konnte kaum Opfer und Spaten zugleich getragen haben. Es sei denn, er war mehrmals hin und her gegangen.
Alex schloss die Augen und versuchte, die Szene vor sich zu sehen. Hatte der Mörder mit einem Spaten in den Händen dort gestanden, wo Alex jetzt stand? Hatte er ihn wieder und wieder in den Boden gerammt, bis das Grab tief genug war, damit sein Opfer darin verschwinden würde?
Du warst nachlässig.
Alex schlug die Augen auf. Sie hätten den toten Mann nicht gefunden, wenn sie nicht nach ihm gegraben hätten. Und das hätten sie nicht getan, wenn sie nicht erst Rebecca gefunden hätten.
Warum hatte der Mörder einen solchen Fehler begangen? Wie konnte er Rebecca so knapp unter der Erdoberfläche begraben, dass ein Hund sie hatte ausgraben können?
Alles deutete darauf hin, dass der Täter beim ersten Mord kräftiger gewesen war, was nur logisch erschien. Das erste Mal, fünfundzwanzig bis dreißig Jahre zuvor, war der Täter kräftig genug gewesen, um ein fast zwei Meter tiefes Grab auszuheben. Außerdem war er stark genug gewesen, sein Opfer den ganzen Weg dorthin zu tragen.
Das zweite Mal war es anders gewesen. Er schaffte es nicht mehr, ein ebenso tiefes Loch zu graben, und er zerstückelte sein Opfer, um es transportieren zu können. Wenn das Zerstückeln einzig dem Ziel dienen sollte, Rebeccas Identifizierung zu erschweren, dann hätte sich der Mörder damit begnügt, Hände und Kopf von der Leiche zu entfernen, und hätte sie nicht in der Mitte durchgetrennt.
Es konnte aber noch andere Gründe für das Zerstückeln geben. Ein Lustmord oder Sadismus lagen nahe, doch Alex glaubte nicht mehr daran. Der Täter handelte praktisch. Natürlich war es durchaus möglich, dass er gemordet hatte, ohne die geringste Schuld oder Furcht zu empfinden– darüber konnte Alex nichts sagen. Aber der Hintergrund für diesen Mord war ein anderer. Der Mörder war nicht rein psychopathisch veranlagt.
Alex erhob sich. Einen Gedanken versuchte er um jeden Preis von sich fernzuhalten, doch er drang immer wieder zu ihm durch: Es war möglich, dass es sich um zwei Täter handelte, die zusammengearbeitet hatten. Der eine könnte übernommen haben, als der andere nicht mehr konnte.
Wie
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