Sterntaler: Thriller (German Edition)
auch immer, es war kein Zufall, dass Rebecca und der Mann am selben Ort begraben worden waren. Und es würde schwer, wenn nicht unmöglich sein, den einen Mord aufzuklären, ohne gleichzeitig das Rätsel des jeweils anderen zu lösen.
Das Klingeln seines Handys war so laut, dass Alex schier zusammenfuhr. Er riss das Telefon aus der Tasche und fummelte damit herum, ehe er ranging. »Alex Recht.«
»Hier ist Diana Trolle. Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie andauernd anrufe.«
Er trat einen Schritt von dem Krater im Boden zurück. »Kein Problem. Wie geht es Ihnen?«
Sie zögerte. »Nicht so gut.«
»Kann ich verstehen.«
Sie verstummte. Alex wartete.
»Ich hab das Gefühl, verrückt zu werden. Ich versuche, mich an Dinge zu erinnern, die Ihnen bei Ihrer Arbeit helfen könnten, aber es ist, als sei ich völlig leer. Ich erinnere mich an gar nichts, was sie gesagt hat und was eine mögliche Warnung gewesen sein könnte. Mein Gott, Alex, ich bin eine schlechte Mutter!«
Er versuchte, sie zu beruhigen. Niemand hatte sie darum gebeten, irgendwelche Erinnerungen hervorzukramen oder Dinge umzuinterpretieren, die ihre Tochter gesagt hatte und die vielleicht völlig ohne Bedeutung waren.
»Aber ich hätte es begreifen müssen«, warf Diana dazwischen. »Ich hätte etwas tun müssen, um ihr zu helfen. Wie konnte sie schwanger sein und nichts davon erzählen?«
Dieser Gedanke war Alex auch schon gekommen. Wie war es möglich, dass Rebecca schon mehrere Monate lang schwanger war, ohne es einem einzigen Menschen zu erzählen? Außer wahrscheinlich dem Vater des Kindes. Håkan Nilsson.
Aber hatte sie das überhaupt gewusst?
Alex hielt die Luft an. Die Polizei hatte per Gentest feststellen können, wer der Vater von Rebeccas Kind war. Es deutete viel darauf hin, dass auch sie selbst davon ausgegangen war, dass es Håkans Kind war. Trotzdem bestand die Möglichkeit, dass sie befürchtet hatte, es sei von einem anderen Mann.
»Kinder erzählen ihren Eltern nicht alles«, sagte er.
»Rebecca hat das getan.«
Nicht alles, Diana. Nie im Leben.
»Möchten Sie auf ein Glas Wein vorbeikommen?«
Alex erstarrte. »Entschuldigung?«
»Nein, ich bitte um Entschuldigung, das war eine dumme Idee. Ich wollte… Ich bin einfach so schrecklich allein.«
Ich auch.
»Das war gar keine dumme Idee, aber… Wir sollten vielleicht abwarten.«
Er sah sich im Wald um. Was abwarten? Dass der Himmel ihnen auf den Kopf fiel, dass Rebecca von den Toten zurückkehrte oder dass Ostern und Pfingsten auf einen Tag fielen?
»Das klingt weise. Wir warten ab.«
Teufel auch.
»Ich könnte in einer Stunde bei Ihnen sein. Aber ich bin mit dem Auto unterwegs, deshalb muss ich leider den Wein ablehnen.«
»Sie sind trotzdem willkommen.«
Er glaubte zu hören, dass sie lächelte.
Als er sich mit schnellen Schritten zu seinem Auto zurückbegab, kam ihm ein Gedanke: Würde er dieselbe Strecke gehen können, wenn er einen toten Mann trüge?
Samstag
24
NOCH EINE NACHT OHNE RUHE . Allein dies festzustellen war belastend. Schlaflosigkeit konnte Fredrika sich nicht leisten. An ihrer Seite atmete Spencer tief ein und aus. Er schlief den Schlaf, den Fredrika dringend gebraucht hätte.
Sie unterdrückte den Impuls, die Hand auszustrecken und ihm übers Haar zu streichen. Es gab keinen Grund, ihn zu wecken, er schien genug Kummer zu haben, das war ihr klar.
Als es ein Uhr schlug, stieg sie aus dem Bett. Auf dem Weg in die Küche kam sie an Sagas Zimmer vorbei. Sie schlief wie immer gut. Ihr Kopf ruhte mit einer Selbstverständlichkeit auf dem Kissen, die Fredrika manchmal schwach werden ließ. Saga war keine vorübergehende Besucherin in ihrem und Spencers Leben, sondern sie war für eine lange Zeit gekommen und würde die nächsten Jahrzehnte geliebt und umsorgt werden– ein Unterfangen, das nur mithilfe aller Liebe, die nur Eltern für ihr Kind empfinden können, möglich war.
Die Schatten der Bibliothek lockten sie. Sie schlich hinein, ohne das Licht einzuschalten, und sank in den Sessel, in dem Spencer gesessen hatte, als sie von der Arbeit nach Hause gekommen war. Sie vernahm seinen schwachen Geruch in der Decke, die über der Armlehne hing, und schlang sie eng um sich.
Spencer hatte keine Erinnerung daran, bei der Arbeit oder in irgendeinem anderen Zusammenhang auf Rebecca Trolle getroffen zu sein. Aber warum hatte sie dann seinen Namen aufgeschrieben? Hatte Rebecca vorgehabt, ihn anzurufen, es aber nicht mehr geschafft, bevor sie verschwand?
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