Sterntaler: Thriller (German Edition)
und ich, wir freuen uns wirklich, dich zu sehen. Du bist immer willkommen.«
»Danke, ich weiß das zu schätzen«, erwiderte Alex.
Er hatte selbst nicht geahnt, wie wichtig es war, mal aus der Stadt rauszukommen. Er hatte befürchtet, die Natur und die Ruhe würden ihn so sehr strapazieren, dass er rastlos wieder nach Hause fahren würde. Doch der gegenteilige Effekt war eingetreten. Mit dem wolkenfreien Himmel und der frischen Luft kam neue Energie.
Aber er schämte sich, weil er am Abend zuvor so spät gekommen war. Doch Torbjörn und seine Frau hatten Alex versichert, dass es kein Problem gewesen sei. Sie hätten sich auf ihn gefreut und äßen auch gern einmal spät zu Abend. Sie hatten gefragt, ob die Arbeit ihn so lange aufgehalten habe, und er hatte ausweichend geantwortet. Die Wahrheit, an die er sich ansonsten immer lieber hielt, schien ihm unpassend.
Die Wahrheit war, dass er am Freitagabend erst um drei Uhr heimgekehrt war, nachdem er bei Diana Trolle gesessen und ihr beim Weintrinken zugesehen hatte. Dass er deshalb am Samstag bis zwölf Uhr geschlafen und vor dem Nachmittag nichts zustande gebracht hatte.
»Glaubst du, dass er so einen Ort hatte?«, fragte Torbjörn. »Ich meine, Rebeccas Mörder?«
Alex sah sich um. Die glatte Oberfläche des Sees, die hohen Bäume, die sich um das Wasser schlossen. Vereinzelte Sommer- und Freizeithütten auf gerodeten Grundstücken.
»Gut möglich.«
»Dass er sie zerstückelt hat– auch wenn es so grotesk ist–, müsste euch doch weiterbringen, oder nicht?«
»Klar, das unterscheidet diesen Täter von anderen. Und aus ebendiesem Grund haben wir ein paar Verdächtige verhört. Mich irritiert allerdings, dass sie in der Nähe einer anderen Leiche begraben wurde, die schon fast dreißig Jahre dort lag. Das muss zusammengehören. Auf irgendeine Weise.«
»Ihr wisst immer noch nicht, wer der andere ist, oder?«
Alex zog an seiner Angelrute, spulte die Schnur ein und kontrollierte, ob der Köder richtig saß. »Ich hatte die Hoffnung, dass es ein Mann sein könnte, der vor knapp fünfundzwanzig Jahren in Norrköping verschwunden ist. Ein gewisser Henrik Bondeson. Aber er war es nicht. Bondeson hatte sich als Jugendlicher ein Bein gebrochen, und unsere Leiche wies keine entsprechende Verletzung auf.«
»Der Name kommt mir aber bekannt vor«, sagte Torbjörn. »Ich glaube, ich erinnere mich, wie er verschwand.«
Alex sah ihn erstaunt an.
»Denk mal nach, das weißt du auch noch«, sagte Torbjörn. »Kurz nachdem die Sparkasse in Norrköping überfallen wurde, ist er verschwunden. Geschiedener Vater von zwei Kindern, dem bei einer Architektenfirma gekündigt worden war. Schulden bis über beide Ohren.«
»Ah, genau. Ich konnte mich nicht mehr an seinen Namen erinnern. Dachte man damals nicht, dass er die Bank ausgeraubt hatte?«
»Klar. Aber man konnte es ihm damals nicht nachweisen.«
»Seltsam, dass er nie mehr von sich hat hören lassen. Der Bankraub ist doch schon seit Langem verjährt.«
Torbjörn zuckte mit den Schultern. »Die Leute machen die komischsten Sachen.«
Alex streckte sich nach seinem Kaffeebecher aus, nahm einen Schluck und stellte ihn zurück.
»Möchtest du noch?«
Sonja hatte ihnen Kaffee und Butterbrote mitgegeben. Das hätte Lena nie getan, wenn er sie nicht ausdrücklich darum gebeten hätte. Sie hatten eine modernere Umgangsweise gepflegt. Wollte einer von ihnen seine Fürsorge beweisen, dann gab es dafür andere Möglichkeiten.
»Glaubst du, dass du den Fall lösen wirst?«, fragte Torbjörn.
Alex ließ fast die Angel fallen. »Verdammt, natürlich werde ich das!«
»Ich wollte nicht unhöflich wirken, aber es ist ein verdammt schwieriger Fall.«
»Es wimmelt nur so von Spuren. Aber wir werden denjenigen finden, der es war.«
Torbjörn legte seine Angelrute beiseite und packte ein Butterbrot aus. »Es ist schon interessant, auf welchen Unrat man stößt, wenn man anfängt, die Leben anderer Leute zu untersuchen«, sagte er. »Unbegreiflich, worüber wir Mordermittler so stolpern! Ganz abgesehen davon, aus welcher Gesellschaftsschicht eine Person stammt, finden sich doch immer Freunde oder Bekannte, die wegen Gewaltverbrechen verurteilt oder in irgendwelche anderen dubiosen Geschichten verwickelt sind. Immer.«
»Das ist besonders frustrierend, wenn es um jüngere Menschen geht«, ergänzte Alex. »Nimm zum Beispiel Rebecca Trolle. Chor, Mentorennetzwerk, Babyschwimmen und Studium. Ich begreife nicht, dass sie das
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