Sterntaler: Thriller (German Edition)
überhaupt schaffen konnte.«
»Das sind einfach zu viele Spuren, als dass man alle verfolgen könnte.«
»Und die eine ist kurioser als die andere! Diana, ihre Mutter, hat mir erzählt, dass die Tochter wie besessen war von ihrer Seminararbeit über irgend so eine alte Märchentante, die ihren eigenen Mann um die Ecke gebracht hat und dafür zehn Jahre im Knast saß.«
»Elf Jahre«, korrigierte Torbjörn. »Und das war noch viel zu wenig, wenn du mich fragst. Sie hätte nie rauskommen dürfen.« Er legte das Brot weg. »Das heißt, sie hat also wirklich ihre Seminararbeit über Thea Aldrin geschrieben?«
Alex schaute seinen Kollegen überrascht an. »Ja. Wieso?«
»Und in welcher Weise war sie besessen?«
»Ihr Tutor sagte, die Arbeit hätte einer Polizeiermittlung geglichen.« Alex versuchte, scherzhaft zu klingen, aber Torbjörn war so ernst, dass er sofort wieder verstummte.
»Sie meinte, Thea Aldrin wäre unschuldig?«
»So in der Art.«
Torbjörn schüttelte den Kopf und nahm sein Brot wieder in die Hand. »Das war meine erste Mordermittlung«, sagte er, »und glaube mir, sie war schuldig.« Er biss in das Brot, kaute und schluckte. »Ich hatte ein paar Jahre auf Streife gearbeitet, und dann wurde ich zu den Ermittlern versetzt. Durfte mit den großen Jungs rausfahren und Mörder aufspüren. Der Nachbar von Thea Aldrin hatte die Polizei gerufen, nachdem er Schreie aus ihrer Garage gehört hatte. Eine Männer- und eine Frauenstimme. Wir sind direkt hingefahren und dachten schon, er wäre von irgendjemandem verschaukelt worden. Aber das war er nicht. Als wir hinkamen und an der Tür klopften, öffnete niemand. Wir gingen um das Haus herum und schauten durch die Fenster. Als wir uns dann Zugang verschafften, saß sie in der Garage, hatte das Messer in der Hand, und der Mann lag tot am Boden.«
»Sie hat ihn erstochen?«
»Mit mindestens zehn Stichen. In wilder Wut. Überall war Blut. Die Halsschlagader war gerissen. Sie saß einfach nur da und starrte vor sich hin, offensichtlich im Schock und über und über mit seinem Blut bespritzt.«
»Warum hat sie ihn erstochen?«
»Dafür bekamen wir nie eine Erklärung. Jedenfalls keine vernünftige. Sie selbst wollte Notwehr geltend machen, doch die Brutalität, mit der er getötet worden war, sprach eine andere Sprache. Er hatte sie und ihren Sohn sitzen lassen, als der Junge noch nicht einmal geboren war. Der Staatsanwalt führte als Motiv an, sie habe ihm das nie verziehen.«
»Mein Gott, und was geschah mit dem Sohn?«
Torbjörn wischte sich die Hände an den Hosenbeinen ab. »Du kennst den Fall offenbar nicht. Dabei waren die Zeitungen voll davon.«
»Moment mal«, sagte Alex, »natürlich erinnere ich mich! Der Sohn war verschwunden…«
»Im Jahr zuvor. Sie, die große Schriftstellerin, war landauf, landab gereist und hatte nach dem verlorenen Sohn gesucht. Aber glaub mir, Alex, sie wusste ganz genau, wo er war. Sie tat alles, was man von ihr erwartete, aber wir haben gesehen, dass sie nicht aufrichtig besorgt war.«
Alex blinzelte. »Ihr habt also geglaubt, dass sie ihn auch ermordet hatte?«
»Die anderen glaubten es, aber ich wusste es. Oder besser gesagt: Ich weiß es. Es gab massenhaft Leute, die bezeugt haben, wie lästig ihr der Sohn während seiner Kindheit gewesen war. Ich glaube, sie lastete dem Jungen an, dass der Vater verschwunden war. Und am Ende hat sie sich an beiden gerächt.«
Ein Windstrich kräuselte die Wasseroberfläche, und das Boot schaukelte sanft auf dem Wasser.
»Eine Sache war wirklich erschreckend… Wie gut, dass sie nie in die Zeitung gelangte…«
Alex spürte, wie die Worte des Kollegen unwillkürlich Neugier in ihm weckten.
»Es gab da einen Film, der bei einer Razzia im Pornoclub ›Ladies’ Night‹ 1981 beschlagnahmt worden war…«
»Was für einen Film?«
»So etwas Krankes hast du noch nicht gesehen! Überhaupt nie! Das hatte nichts mehr mit Porno zu tun. Oder besser gesagt, es war auch gar kein Porno, sondern schlichtweg ein Gewaltfilm. Mit einer Hobbykamera eingespielt, miese Beleuchtung. Nur ein paar Minuten lang. Wir haben ihn auf einem alten Projektor abgespielt, den ich zu Hause im Keller hatte.«
»Wovon handelte er?«
»Er hatte keine Handlung. Er zeigte einzig und allein, wie eine junge Frau in einem Zimmer ermordet wird. Offenbar sollte es aussehen wie einer dieser Snuff-Filme.«
Alex sah Torbjörn verständnislos an. »Snuff-Filme?«
»Ja, du weißt schon: ein Film, der einen
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