Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
Vom Netzwerk:
kicherst blöde in einer Tour. Hast dich lustig gemacht über meine Uniform und das bißchen Geld, das sie einem zahlen, damit man den Kopf hinhält. Aber immerhin habe ich einen Beruf – und du? Du kleiner Versager. Er blieb stehen, sah den Frauen auf die Schuhe und hörte Robins Stimme.
    » Was willst du werden?« hatte er damals gefragt. »Biste jetzt blöd im Kopf?«
    »Polizist, warum denn nicht? Ich hab im Fernsehen gehört, daß die unterbesetzt sind.«
    Es war an dem Morgen nach der Riederwaldnacht, als Robins Fieber langsam sank. Sie guckten einander nicht richtig in die Augen, als hätte jeder von ihnen etwas Schlimmes getan, und weil sie keine Worte fanden für diese Nacht, in der es geschah, erzählten sie es keinem. Robin hatte noch immer etwas Fieber am Morgen, und als er sich aufrichtete und die Beine aus dem Bett hängen ließ, konnte man seine Wunden sehen, Striemen und getrocknetes Blut überall. Jetzt, da er saß, fing er wieder an zu stöhnen, und er blinzelte die Tränen weg, als er murmelte, es täte da drin so beschissen weh.
    »Wo?« fragte Dorian, obwohl er es ahnte.
    »Im Arsch, Mann.«
    »Ja«, sagte Dorian. Er selber war fast ohnmächtig geworden, als er frühmorgens auf dem Klo saß, doch wollte er Robin nicht sagen, daß er noch gut dran war mit seinen Schmerzen, weil sie ihm nur einen Stock in den Arsch gerammt hatten, während es bei Dorian eine brennende Kerze war. Eine Scheißkerze, von der sie nicht kapieren wollten, daß die immer wieder ausgehen mußte, dauernd wieder aus.
    Robin ging krumm. Er hinkte. Dorian hinkte selber, doch tat er so, als sei alles normal. Auf dem Weg zum Frühstückstisch fingen sie fast an zu heulen, weil es schwer war, so zu gehen wie an jedem anderen Tag und nicht zu wissen, wie sie es zulassen konnten, daß in ihren Körpern ein Schmerzglühen war und sie ihre Haut verstecken mußten.
    Frau Tillmann fragte, warum sie krank aussahen. Hatten sie etwas Falsches gegessen?
    »Leck mich«, sagte Robin.
    »Da! Schon wieder«, sagte Frau Tillmann triumphierend zu ihrem Mann, und Tillmann, der jeden Morgen krank aussah, weil er sich mit seinem Chef nicht verstand, murmelte nur: »Robin, ich bitte dich.«
    »Jo«, flüsterte Robin. »Gern geschehen.«
    »Ich werde Polizist«, sagte Dorian, da wurde Tillmann munter. Er schmiß seinen angebissenen Toast auf den Teller und nannte ihn einen Versager.
    »Da verdienst du nichts«, schrie er. »Selbst bei deinen Noten gibt es bessere Jobs. Oder willst du da nur hin, weil die wirklich jeden nehmen?«
    »Nein, weil’s mir Spaß macht.«
    Er dachte die ganze Zeit daran. Er saß in der Schule und stellte sich die Uniform vor mit der Waffe im Holster und dem schönen, schlanken Knüppel, den sie zogen. Er hockte in seinem Zimmer und überlegte, wie man schoß, mit einer Hand, mit beiden? Zwei Tage lang schoß er Verbrecher aus dem Weg, knüppelte ihnen bei Verhören die Fresse wund und schob die Mütze tief in die Stirn. Am dritten Tag konnte er wieder aufs Rad, obwohl ihm immer noch der Hintern brannte. Robin sah er kaum, der hockte vor dem Fernseher, sobald er nach Hause kam, kroch wortlos ins Bett und fing im Schlaf dann manchmal an zu jammern wie ein kleines Kind.
    Dabei hätte ich dir was erzählen können, Zwerg, ich hab’s aber nie getan. Erinnerst du dich an die U-Bahnstation? Wir haben sie damals nur im Dunkeln gesehen, eine überdachte Bank, auf der manchmal Penner sitzen, um sich vor dem Regen zu schützen und sich der Illusion hinzugeben, sie hätten ein Dach über dem Kopf. Fast genüßlich hören sie dem Regen zu, während sie den Kopf ein wenig vorstrecken wie Leute, die aus dem Fenster gucken. Was glaubst du, was die alles machen in Gedanken? Halten Hausputz, holen die Post rein, kochen sich was Warmes, sind zu Hause, bis der Regen nachläßt oder einer kommt, der sie verjagt. Man trifft die komischsten Leute da.
    Dorian fuhr weite Strecken und kam doch immer näher an den Riederwald heran. Die ersten Nachmittage schaffte er es nur bis zur U-Bahnstation, dann schwänzte er die Schule und radelte auf dem holprigen Weg entlang, bis er die Kleingärten sah. Es war alles so normal, nur Bäume, Sträucher und Steine, denn die Hölle brannte nicht. Es gab kein Fegefeuer, nur abgenutzte Wege, die kaum ein Mensch betrat. Irgendwo da drüben war das Haus. Er zielte mit Gewehren darauf und versuchte es zu sprengen, warf Brandsätze, fuhr mit einem Bagger heran und entzündete ein großes Feuer. Geräusche umzingelten

Weitere Kostenlose Bücher