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Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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Kundschaft isses eh Wurscht, die parliert nicht fremd.«
    Sie nahm ihre Tasche. »Kommst du mit?« fragte sie Kissel.
    »Jetzt?« Demonstrativ sah er auf die Uhr.
    »Ja, man merkt, daß du nie bei der Sitte warst. Geschäftsführer und Leute, die Bescheid wissen, sind meistens am Tag da. Abends feiern die woanders.«
    »Dann hau ab«, brummte er.
    »Ich denke, ich soll keine Alleingänge machen?«
    »Ist doch alles Schwachsinn«, sagte er. Betrübt sah er aus, als grübele er dem Sinn seines Lebens hinterher. »Geh schon, ich kriege Krämpfe in einer leeren Bar.«
     
    Lunaland war wirklich leer. Ein kleiner Mann hatte geöffnet und skeptisch auf ihren Ausweis gestarrt. Seine Stimme klang vorwurfsvoll, als er sagte: »Gehen Se mal da durch«, jetzt stand sie vor dem Tresen und guckte sich die leeren Sitze an. Groß war der Raum und wirkte trotzdem eng, die Sessel mit abgewetztem rotem Plüsch, die dunkelroten Lämpchen und eine holzvertäfelte Decke sahen aus, als hätte sich einer einen Traum erfüllt, der ein einziges Mal, vor dreißig Jahren, in einer Bar auf dem Land gewesen war. Sie drehte sich um, als eine Stimme hinter ihr fragte: »Gefällt es Ihnen?«
    »Mmh – nein«, sagte sie. »Aber das muß es auch nicht.«
    »Wo gehen’s denn so hin?« Die blonde Frau hatte versucht, ihre Falten wegzuschminken, aber es nutzte nicht viel. Da stand diese ordinäre Barfrau, hatte Dorian gesagt.
    »Wo geh ich hin?« Ina zuckte mit den Schultern. »Dahin, wo es heller ist.«
    »Und teurer«, ergänzte die Frau, was nicht wie eine Frage klang. »Wir sind hier moderat im Preis.« Sie trug eine dünne Strickjacke über einem fadenscheinigen Kleid, was meinte Dorian mit ordinär? Sie sah aus, als sei es in diesem stickigen Raum hier viel zu kalt.
    »Arbeiten Sie an der Bar?« Ina zog erneut ihren Ausweis, doch sie winkte ab und sagte freundlich: »Früher hab ich hier bedient, jetzt halt ich die Küche in Ordnung und putz und guck ein bisserl. Der Geschäftsführer ist ganz ein Netter, der schmeißt einen nicht gleich raus, wenn man zu alt ist, der findet eine andere Arbeit. Suchen’s an Kriminellen?«
    Ina schüttelte den Kopf. Vorsichtig, als sei es mit Gift besprüht, holte sie das Foto Dorian Kammers heraus, das sie aus seiner Personalakte genommen hatte. Sie kam sich wie eine Verräterin vor. Polizeimeister Kammer. Das Polizeifest, auf dem er mit leiser Stimme sagte: »Ich bin gerne Polizist, da kann ich etwas Wichtiges tun.«
    »Glaubst du?« hatte sie gefragt.
    Sein Lächeln war bezaubernd gewesen. »Sie haben mich jetzt schon sechsmal geduzt, jetzt duze ich dich einfach zurück. Ist das ein Problem?«
    »Dieser, ehm« – sie räusperte sich – »Haben Sie den schon mal hier gesehen?«
    Die Frau sah eine Weile hin. »Jesses«, murmelte sie dann, »ist das der Burschi?«
    »Wer?«
    »Ja«, sagte sie, »der war vor einer ganzen Weile mal hier, paar Jährchen her, da hab ich noch bedient. Mir ist er aufgefallen, weil – na ja, erstens sieht er fesch aus, und zweitens hat er sich schlecht benommen, das merkt man sich.« Sie hob den Kopf. »Wollen’s was trinken?«
    »Nein«, sagte Ina. »Schlecht benommen, was meinen Sie damit?«
    »Er hat nicht randaliert oder so, aber er wollte uns beschimpfen, wenn ich mich recht erinnere. So als wären wir der letzte Dreck, wissen’s? Wie hieß der gleich, der hatte so einen ausgefallenen Namen – was hat er angestellt?«
    Ina leierte den Standardspruch: »Ist nur eine Routinesache.« Seil sie ihn immer öfter im Fernsehen hörte, traute sie sich kaum noch, ihn zu benutzen, zumal er so bescheuert war. Auch das Aufspüren eines Schwerverbrechers war Routine. Sie nahm das Foto der Kammer, den Videoprint, der sie im Abendkleid zeigte, mit diesem maskenhaften Gesicht auf eine Folterszene starrend. »Und sie?«
    Die Frau seufzte einmal kurz, bevor sie sagte: »Jetzt weiß ich wieder, der hieß Dorian. Ich hab noch gedacht, es war englisch, aber da sagt sie, es kam aus dem Griechischen.«
    »Wer sagt das?«
    »Na sie.« Sie deutete auf das Foto. »Er ist ihr Sohn, nicht?«
    Ina nickte und redete sich selbst gut zu. Keine Frage, nicht so schnell. Laß sie reden.
    »Ich hab mir so was gedacht«, sagte die Frau. »Andererseits konnt ich es mir wieder nicht vorstellen, verstehen’s? Das war schon komisch, sie hat mir so oft von ihren Buben erzählt, also immer, wenn was war, was sie dran erinnert hat, da sagt sie: Das hat mein Großer auch so gemacht oder: Der Kleine mochte keinen

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