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Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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das Holster wieder und lehnte sich gegen die Wand, hinter der man ein besoffenes Gelalle hörte. »Er wird noch nicht einmal vermißt.« Es war egal, ob er das sagte oder nicht, denn Kempers Gesicht wurde immer unschärfer in seinen Träumen, als hätte er niemals gelebt. Nur sein Blut blieb, das Blut auf den Möbeln und auf dem Boden, das Blut im Wasser, aufgewischt und ins Klo gekippt. »Wenn sie ihn aber finden, ich meine, es könnte ja sein, daß ein Hund da schnüffelt, dann kommen sie darauf, wer mit ihm zusammen war. Zusammen, verstehst du? In diesem Schuppen und in seiner Bude.«
    »Ja«, sagte sie nur.
    »Dann lassen sie sich seine Frau beschreiben, seine Komplizin.«
    »Sicher.«
    »Die ist dann zuoberst auf ihrer Liste.«
    »Ja, natürlich.« Sie hob ein wenig die Brauen, als hätte er gesagt, am Tag scheint die Sonne, und manchmal in der Nacht gibt es Sterne. »Mach dir keine Gedanken.«
    »Nein.« Er ging zur Tür. »Ich brauch mir auch keine zu machen. Ich nicht.«
     
    Komm wieder, hatte sie gesagt, hatte es nur leise geflüstert, als er ging. Dieses Flüstern – er sah von seinem elenden Papierkram hoch, den sie ihn auf der Wache machen ließen; sein ungewollter Urlaub war vorbei, doch sie ließen ihn nicht auf die Straße – es war so ein beschwörendes Flüstern, eher ein Flehen. Komm wieder. Ja, das hatte er gemacht, warum auch nicht, es war sein Hang zu Frauen, die auf Knien waren, die schrubbten und bedienten und immerzu froren. Eine Weile putzte sie in der Bar, weil kein vernünftiger Mensch sie mehr singen hören wollte, und als er eines Tages ins Hotel Sylvia kam, putzte sie auch da. Doch er gab ihr kein Geld, weil das so ähnlich wie mit den Bettlern war, die sich auch bloß zusoffen, warf man ihnen etwas in den Hut.
    An ihrem letzten Tag im Hotel stand ein Mann in ihrem Zimmer, der bloß »Na?« sagte, als er Dorian sah. Wie ein Schwachkopf – naaa? Blöde lächelnd zeigte er zwei Zahnlücken und guckte ihn an wie ein seltenes Tier aus dem Wald. Sie redete über ihn, als sei er gar nicht da, sagte, daß er eine Wohnung für sie hätte, weil es hier immer kälter würde und lauter und weil das verdammte Geld sich verhielt wie eine Seifenblase, weißt du?
    »Früher«, sagte sie, »hatte ich mal welches, da hab ich geglaubt, das reicht für immer. Kam mir vor wie das Meer.«
    Der Mann kicherte darüber und sprach sie mit einem merkwürdigen Kosenamen an, doch beachtete sie ihn nicht. Fügsam und trottelig kam er Dorian vor, halt ein bißchen doof, doch als er ihn das nächste Mal sah, schlug er ihr mit einer mächtigen Pranke mitten ins Gesicht. Sie fiel gegen die Wand, die fast am Abbröckeln war, denn das, was sie eine Wohnung genannt hatte, war auch bloß ein Unterschlupf. Aber vielleicht mußte sie hier kein Geld auf den Tisch legen, sondern bezahlte mit ihrem Körper – das, dachte er, würde noch passen. Es war dunkel hier und eng und fast genauso kalt wie im Hotel. Verhalten, fast lautlos fing sie an, den Typ zu beschimpfen, so wie man als Erwachsener vor Kindern sprach, wenn sie etwas nicht hören sollten.
    »Was sagste?« fragte der Mann. Entschuldigend guckte er Dorian an und meinte, sie sei langsam und noch viel zu faul. Die Küche sei nicht aufgeräumt, und hier im Flur, guck hin, da lag ein Schirm auf dem Boden, für den es einen gottverdammten Schirmständer gab. Dorian lachte, weil ihm das so wichtig war, als sei so ein Schirmständer das Wichtigste in einer Wohnung; kümmer dich nicht um Schimmel an den Wänden, laß den kalten Wind durch undichte Fenster ziehen, aber sieh um Himmels willen zu, daß du einen Schirmständer hast. Lachend schlug er dem Kerl seine Faust in den Magen und fragte: »Noch mal?« als er ihn nach Luft schnappen sah.
    »Laß ihn«, sagte sie, wobei sie ihn merkwürdig ansah, ein bißchen erschreckt und auch ein wenig stolz, so als hätte sie, heruntergekommen wie sie war, ihren Privatpolizisten gefunden wie ein großer Star, ihren eigenen Bodyguard.
    Ja, darauf lief es wohl hinaus. Er schob seinen Stuhl zurück und schaltete den Computer aus – es lief darauf hinaus, daß er ihr Privatpolizist war. Elf Uhr erst, doch er mußte hier raus, er wollte keinen halben Dienst machen, so einen Deppendienst am Schreibtisch. Nicole war mit einem anderen unterwegs, einem selig sabbernden Polizeiobermeister, der nicht wußte, armer Depp, daß er keine Chance hatte bei ihr, niemals eine Chance haben würde, und sie hatte sich noch nicht einmal gerechtfertigt,

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