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Sternwanderer

Titel: Sternwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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Messerpolitur
    1/2 Lot Brunswick Black
    1 Päckchen Swinborne’s Fischleim
    1 Flasche Möbelpolitur
    1 Bratenlöffel
    1 Soßensieb für neun Pennys
    1 Küchentretleiter
     
    Tristran las die Liste durch und überlegte fieberhaft, worüber er ein Gespräch beginnen konnte.
    Schließlich hörte er sich sagen: »Dann gibt’s bestimmt bald leckeren Reispudding, Miss Forester.« Sobald die Worte über seine Lippen gekommen waren, wußte er, daß er das Falsche gesagt hatte. Victoria schürzte ihre perfekten Lippen, blinzelte mit ihren grauen Augen und antwortete: »Ja, Tristran. Wir werden Reispudding essen.«
    Dann lächelte sie ihn an und fuhr fort: »Meine Mutter sagt, daß Reispudding, in ausreichender Menge gegessen, Erkältungen, Fieber und andere herbstliche Beschwerden abwenden hilft.«
    »Meine Mutter schwört auf Tapiocapudding«, gestand Tristran.
    Er spießte die Liste auf den dafür vorgesehenen Metalldorn. »Die meisten Waren können wir morgen früh liefern, der Rest wird nachgereicht, sobald Mr. Monday zurück ist, Anfang nächster Woche.«
    In diesem Moment fuhr ein Windstoß durchs Dorf, so heftig, daß die Fensterscheiben rappelten und die Wetterhähne sich drehten, bis sie Norden nicht mehr von Westen und Süden nicht mehr von Osten unterscheiden konnten.
    Das Feuer, das im Kamin von Monday und Brown brannte, zischte und flackerte in einem Wirbel von Grün und Rot, durchsetzt von Silberfunken, wie man sie im Kaminfeuer leicht selbst erzeugen kann, wenn man eine Handvoll Eisenspäne hineinwirft.
    Der Wind kam aus dem Feenland, von Osten, und Tristran fand in sich plötzlich einen Mut, von dem er nicht gewußt hatte, daß er ihn besaß. »Wißt Ihr, Miss Forester, in ein paar Minuten habe ich Feierabend«, sagte er. »Vielleicht könnte ich Euch ein Stück nach Hause begleiten. Es ist kein großer Umweg für mich.« Dann wartete er, das Herz pochte ihm bis zum Hals, während Victoria Forester ihn mit ihren grauen Augen amüsiert anstarrte. Nach einer Zeit, die ihm wie eine Ewigkeit erschien, antwortete sie: »Ja, gern.«
    Tristran eilte in den Salon und informierte Mr. Brown, er gehe jetzt nach Hause. Mr. Brown knurrte, wenn auch recht gutmütig, und erwiderte, als er noch jung gewesen sei, habe er nicht nur bis spät abends arbeiten und den Laden abschließen, sondern auch auf dem Boden unter der Ladentheke schlafen müssen, mit seinem Mantel als Kissen.
    Tristran beteuerte, er sei sich bewußt, daß er wirklich ein Glückspilz war, und wünschte Mr. Brown eine gute Nacht. Dann nahm er seinen Mantel vom Garderobenständer und seinen neuen Bowler von der Hutablage und trat hinaus auf die Straße, wo Victoria Forester ihn erwartete.
    Während sie nebeneinander hergingen, wurde aus der Herbstdämmerung dunkle Nacht. Tristran konnte den fernen Winter in der Luft riechen – eine Mischung aus Nachtnebel und frischer Dunkelheit und dem Duft gefallener Blätter.
    Sie schlugen den gewundenen Pfad zur Forester-Farm ein; die Mondsichel hing weiß am Himmel, und die Sterne funkelten in der Dunkelheit über ihnen.
    »Victoria?« sagte Tristran nach einer Weile.
    »Ja, Tristran«, antwortete Victoria, die den größten Teil des Weges etwas geistesabwesend gewirkt hatte.
    »Würdest du es unverschämt von mir finden, wenn ich dich küsse?« fragte Tristran.
    »Ja«, antwortete Victoria unmißverständlich und kühl. »Sehr unverschämt.«
    »Aha«, sagte Tristran.
    Schweigend gingen sie den Dyties Hill empor; auf dem Gipfel wandten sie sich um und sahen unter sich das Dorf Wall liegen, schimmernd im Schein der Lampen und Kerzen, der durch die Fenster drang, warmes, gelbes Licht, das ihnen einladend zuwinkte. Über ihnen leuchteten Myriaden von Sternen, die funkelten und glitzerten und blitzten, kalt und fern und zahlreicher, als die menschlichen Sinne zu begreifen imstande waren.
    Tristran nahm Victorias kleine Hand in die seine. Victoria zog sie nicht zurück.
    »Hast du das gesehen?« fragte sie, über die Landschaft blickend.
    »Nein, ich habe nichts gesehen«, erwiderte Tristran. »Ich habe dich angesehen.«
    Victoria lächelte im Mondschein.
    »Du bist die schönste Frau auf der ganzen Welt«, sagte Tristran aus tiefstem Herzen.
    »Ach du«, gab Victoria zurück, aber ihre Stimme klang sanft.
    »Was hast du denn gesehen?« fragte Tristran.
    »Eine Sternschnuppe«, antwortete Victoria. »Ich glaube, die sind um diese Jahreszeit nicht ungewöhnlich.«
    »Vicky, küßt du mich?«
    »Nein.«
    »Als wir jünger

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