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Sternwanderer

Titel: Sternwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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seid – nur einmal angenommen, um der Diskussion willen, obwohl Ihr ihm nicht ähnlich seht und auch nicht redet wie er –, wie viele Leute habt Ihr in der Zeit, als Ihr hier gelebt habt, von der Wiesenseite her durchgelassen?«
    »Naja, soweit ich weiß, keinen«, antwortete Tristran.
    Mr. Brown lächelte das gleiche Lächeln wie früher, wenn er Tristran, weil dieser fünf Minuten zu spät gekommen war, den Lohn für den ganzen Vormittag gekürzt hatte. »Genau«, sagte er. »Es gibt keine diesbezügliche Vorschrift, weil es nie geschieht. Niemand von der anderen Seite geht hier durch. Nicht, solange ich im Dienst bin jedenfalls. Also verschwindet jetzt, ehe ich eure Köpfe mit meinem Prügel bearbeite.«
    Tristran verschlug es für einen Moment die Sprache. »Wenn Ihr glaubt, daß ich das alles durchgemacht habe, nur um am Schluß von einem aufgeblasenen, geizigen Krämer und einem Knaben, der in Geschichte von mir abgeschrieben hat, fortgescheucht zu werden…« setzte er an, aber Yvaine berührte leicht seinen Arm und meinte: »Tristran, laß gut sein. Du sollst dich nicht mit deinen eigenen Leuten streiten.«
    Tristran schwieg. Dann wandte er sich wortlos ab, und die beiden wanderten den sanft ansteigenden Wiesenhang wieder hinauf. Rund um sie her baute ein buntes Völkchen von Kreaturen verschiedenster Art ihre Stände auf. Sie ließen ihre Fahnen flattern und schoben ihre Handkarren durch die Gegend. Und da begriff Tristran – in einer Gefühlsaufwallung, die einem Anfall von Heimweh ähnelte, aber einem, das sich zu gleichen Teilen aus Sehnsucht und Verzweiflung zusammensetzt –, daß diese Leute eigentlich sehr gut sein Volk sein könnten, denn er spürte, daß er mit ihnen mehr gemeinsam hatte als mit den blassen Einwohnern von Wall in ihren Kammgarnjacken und beschlagenen Stiefeln.
    Sie blieben stehen und beobachteten eine kleine Frau, die fast so breit wie hoch war und sich alle Mühe gab, ihren Stand ordentlich aufzubauen. Unaufgefordert ging Tristran ihr zur Hand, schleppte Kisten von ihrem Karren zum Stand, kletterte auf eine hohe Leiter, um eine Fähnchenschnur von Ast zu Ast zu hängen, packte schwere Glaskaraffen und Krüge aus – alle mit einem großen, geschwärzten Korken und mit silberglänzendem Wachs verschlossen, gefüllt mit langsam waberndem, buntem Rauch – und stellte sie auf die Regale. Während er und die Marktfrau arbeiteten, setzte sich Yvaine auf einen Baumstamm in der Nähe und sang mit ihrer sanften, klaren Stimme ein Lied von den hohen Sternen für sie, und danach die bekannteren Lieder, die auch Tristran von den Leuten gehört hatte, denen sie unterwegs begegnet waren.
    Als Tristran und die kleine Frau ihr Werk vollendet hatten und der Stand für den morgigen Tag vorbereitet war, mußten sie bereits die Lampen anzünden. Die Frau bestand darauf, Essen für sie zu machen; Yvaine konnte sie kaum davon überzeugen, daß sie nicht hungrig sei, aber Tristran aß alles, was ihm angeboten wurde, mit Begeisterung und trank, was eher untypisch für ihn war, fast eine ganze Karaffe süßen Kanarienwein, wobei er steif und fest behauptete, daß das Gebräu nicht stärker schmecke als frisch gepreßter Traubensaft und keinerlei Wirkung auf ihn hätte. Doch als die rundliche kleine Frau ihnen anbot, sie könnten auf der Lichtung hinter ihrem Wagen übernachten, war Tristran in Sekundenschnelle eingeschlafen.
    Es war eine klare, kalte Nacht. Die Sternfrau saß neben dem schlafenden jungen Mann, der sie einst gefangengenommen hatte und nun ihr Weggefährte geworden war, und sie fragte sich, wo ihr Haß gegen ihn geblieben war. Yvaine war nicht müde.
    Im Gras hinter ihr raschelte etwas. Eine dunkelhaarige Frau erschien neben ihr, und sie starrten beide auf Tristran hinunter.
    »Er hat immer noch etwas von einer Haselmaus an sich«, meinte die dunkelhaarige Frau. Ihre Ohren waren spitz und ähnelten denen einer Katze; sie wirkte wenig älter als Tristran selbst. »Manchmal überlege ich, ob sie Menschen in Tiere verwandelt oder ob sie das Tier in uns erkennt und ihm die Freiheit schenkt. Vielleicht ist etwas in mir von Natur aus ein bunter Vogel. Darüber habe ich sehr viel nachgedacht, aber ich bin noch zu keinem Schluß gekommen.«
    Tristran murmelte im Schlaf etwas Unverständliches und drehte sich um. Dann begann er leise zu schnarchen.
    Die Frau ging um ihn herum und setzte sich schließlich neben ihn. »Sieht aus, als wäre er recht gutherzig«, sagte sie.
    »Ja«, bestätigte die

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