Sternwanderer
Sternfrau, »ich glaube, das ist er.«
»Ich sollte dich warnen«, fuhr die Frau fort, »wenn du dieses Land verläßt, um… um dorthin zu gehen…« – sie machte mit ihrem schlanken Arm, von dessen Handgelenk matt die Silberkette schimmerte, eine Geste in Richtung Wall – »… dann wirst du, soweit ich weiß, in das verwandelt, was du in jener Welt wärst: ein kaltes, totes Ding, das vom Himmel gefallen ist.«
Die Sternfrau schauderte, sagte aber nichts. Statt dessen streckte sie den Arm aus und berührte über Tristrans schlafende Gestalt hinweg die Silberkette, die Hand- und Fußgelenk der Frau umspannte und von dort im Gebüsch verschwand.
»Man gewöhnt sich daran mit der Zeit«, meinte die Frau.
»Wirklich?«
Violette Augen starrten in ihre blauen und blickten dann abrupt weg. »Nein.«
Yvaine ließ die Kette los. »Er hat mich einmal mit einer ähnlichen Kette angebunden. Dann hat er mich befreit, und ich bin weggelaufen. Aber er hat mich wieder gefunden und mich mit einer Verpflichtung an sich gebunden, die mein Volk viel stärker verpflichtet, als irgendeine Kette dies könnte.«
Eine Aprilbrise streifte über die Wiese und bewegte Büsche und Bäume mit einem langen kühlen Seufzen. Die katzenohrige Frau schüttelte die Locken aus dem Gesicht und sagte: »Aber du hast noch eine Verpflichtung aus einer früheren Zeit, oder nicht? Du besitzt etwas, was dir nicht gehört und was du dem rechtmäßigen Eigentümer zurückgeben mußt.«
Die Sternfrau biß die Lippen zusammen. »Wer bist du?« fragte sie.
»Ich habe es dir doch gesagt – ich war der Vogel im Wohnwagen«, entgegnete die Frau. »Ich weiß, was du bist, und ich weiß, warum die Hexenfrau deine Anwesenheit nicht bemerkt hat. Ich weiß, wer dich sucht und warum sie dich braucht. Außerdem kenne ich die Herkunft des Topas’, den du an einer Silberkette um die Taille trägst. Da ich außerdem weiß, was du bist, ist mir auch deine Verpflichtung bekannt.« Sie beugte sich hinunter und strich Tristran sanft die Haare aus der Stirn. Er rührte sich nicht.
»Ich glaube nicht, daß ich dir glauben oder vertrauen kann«, sagte Yvaine. In einem Baum über ihnen rief ein Nachtvogel. Es klang sehr einsam in der Dunkelheit.
»Ich habe den Topas an deiner Taille gesehen, als ich ein Vogel war«, erklärte die Frau und erhob sich wieder. »Ich habe dich beobachtet, als du im Fluß gebadet hast, und habe den Stein als das erkannt, was er ist.«
»Aber wie?« fragte der Stern. »Wie hast du ihn erkannt?«
Doch die dunkelhaarige Frau schüttelte den Kopf und ging zurück, wo sie hergekommen war, mit einem allerletzten Blick auf den schlafenden Tristran. Dann hatte die Dunkelheit sie verschluckt.
Inzwischen war Tristrans Haar, widerspenstig wie es war, wieder über seine Stirn gefallen. Die Sternfrau strich es behutsam zur Seite und ließ ihre Finger eine Weile auf seiner Wange ruhen. Er schlief friedlich weiter.
* * *
Kurz nach Sonnenaufgang wurde Tristran von einem großen Dachs geweckt, der auf den Hinterbeinen ging, einen blauvioletten Bademantel trug und so lange an Tristrans Ohr schnüffelte, bis dieser schläfrig die Augen aufschlug. »Name des Betreffenden Thorn? Tristran dieser Sippe?« fragte der Dachs wichtigtuerisch.
»Hmm?« machte Tristran. Er hatte einen unangenehmen Geschmack im Mund, der sich trocken und pelzig anfühlte. Er hätte gut und gern noch ein paar Stunden schlafen können.
»Sie haben nach dir gefragt«, verkündete der Dachs. »Unten am Durchgang. Anscheinend gibt es da eine junge Dame, die mit dir sprechen möchte.«
Tristran setzte sich auf und grinste breit. Vorsichtig tippte er die noch schlafende Sternfrau an die Schulter. Sie öffnete schlaftrunken die blauen Augen und fragte: »Was ist?«
»Gute Neuigkeiten«, erklärte er ihr. »Erinnerst du dich an Victoria Forester? Wahrscheinlich hab’ ich unterwegs ihren Namen ein-, zweimal erwähnt.«
»Ja«, antwortete sie, »wahrscheinlich hast du das.«
»Nun«, fuhr Tristran fort, »ich treffe mich gleich mit ihr. Sie wartet unten am Durchgang.« Er hielt inne. »Hör mal, vielleicht wäre es das beste, wenn du hier bleibst. Ich möchte sie nicht auf falsche Gedanken bringen oder dergleichen.«
Yvaine drehte sich um, legte die Arme über den Kopf und sagte nichts mehr. Schließlich kam Tristran zu dem Schluß, daß sie wieder eingeschlafen sein mußte, schlüpfte in seine Stiefel, wusch sich das Gesicht und spülte den Mund mit Wasser aus dem
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