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Stets Zu Diensten, Mylady

Stets Zu Diensten, Mylady

Titel: Stets Zu Diensten, Mylady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Marshall
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anderes hätte ich von ihm auch nicht erwartet.
    Seltsam, warum mischte sich dann eine Spur von Enttäuschung in ihre Erleichterung?
    Sie schaute zu ihm hinunter und sah, dass er noch fest schlief. Sein Gesicht erschien ihr streng und kraftvoll, gar nicht wie üblich liebenswürdig und sanft. Was ist Maske, fragte sie sich, und was ist der echte Will Shafto?
    Plötzlich fiel ihr ein, dass sie ihn bisher nie unrasiert gesehen hatte, und jetzt lag ein dunkler Schatten auf seinen Wangen und seinem Kinn. Fast ohne es zu wollen, fuhr sie vorsichtig mit dem Finger über seine Bartstoppeln. Unter dieser zarten Berührung seufzte er tief – und erwachte.
    Blitzschnell schoss seine Hand hoch und umfasste ihr Handgelenk. “Wer ist da?” murmelte er noch schlaftrunken, setzte sich etwas auf und öffnete dann seine Augen.
    “Oh, du bist es, Beck”, sagte er. “Ich fürchtete – ich weiß nicht, was ich fürchtete. Hast du überhaupt geschlafen?”
    Erschrocken über sein plötzliches Erwachen, war Rebecca zurückgewichen. Nun zog sie ihre Hand aus seinem Griff. Was ist nur in mich gefahren, ihn berühren zu wollen, während er schlief, fragte sie sich verdutzt.
    “Überraschenderweise habe ich sogar gut geschlafen”, antwortete sie. “Wahrscheinlich war ich übermüdet.”
    “Völlig erschöpft, würde ich sagen”, meinte Will, während er aufstand, sich reckte und streckte und dabei herzhaft gähnte. Sein ehemals feines Hemd war stark verknittert, und seine Breeches hatten vom Regen und Schlamm zahlreiche Flecken abbekommen.
    Ich sehe wahrscheinlich kaum gepflegter aus, vermutete Rebecca, aber unser Aussehen dürfte kaum von Bedeutung sein.
    Sie erhob sich jetzt ebenfalls von dem harten Strohlager, und wie Will streckte sie sich. Das war sicherlich wenig damenhaft, brachte dem schmerzenden Rücken jedoch eine gewisse Erleichterung. Innerlich konnte sie über sich selbst nur fassungslos den Kopf schütteln. Da bin ich kaum zwölf Stunden in der Wildnis, und meine ganze gute Erziehung geht zum Teufel, dachte sie. Allein diese Ausdrucksweise! Wie gut, dass mich niemand gehört hat.
    Plötzlich fiel ihr auf, dass Will sie die ganze Zeit höchst vertraulich mit ‘Du’ anredete und sie sich nicht einmal darüber wunderte. Nun ja, dachte sie, formvollendetes Benehmen würde unter diesen Umständen wahrscheinlich wenig Sinn machen. Dass dieses ‘Du’ ein Ausdruck neuer Vertrautheit zwischen ihr und Will war, die sie als ausgesprochen tröstlich empfand und nicht hätte missen mögen, das gestand sie sich noch nicht ein. So vermied sie es auch noch, ihn direkt anzureden, denn zu dem distanzierten, kalten ‘Sie’ wollte sie nicht zurückkehren.
    “Was wir wohl zum Frühstück bekommen?”
    Sie hatte die Frage kaum ausgesprochen, als die Tür aufflog und eine zerlumpte Frau einen Blechteller mit zwei Kanten Schwarzbrot und einem wenig Vertrauen erweckend aussehenden Stück Käse brachte. “Draußen steht ein Krug mit frischem Wasser”, knurrte sie unfreundlich und verschwand wieder.
    “Ist das etwa die übliche Kost dieser Leute?”, fragte Rebecca entsetzt. Zum ersten Mal in ihrem behüteten Leben kam sie in unmittelbaren Kontakt mit dem harten Los der Armen.
    “In den letzten Jahren dürften sie froh gewesen sein, wenn sie überhaupt genug hatten, um nicht zu verhungern”, erklärte Will. “Das macht sie gefährlich. Wir müssen aufpassen, dass wir sie nicht unnötig verärgern. Unser Leben könnte davon abhängen.”
    Während des Tages rief Rebecca sich diese Tatsache immer wieder ins Gedächtnis. Man ließ sie zwar frei auf der Lichtung umhergehen, eine Flucht war jedoch gänzlich ausgeschlossen. Im Laufe des Nachmittags kam ein schmutziges kleines Mädchen mit seiner Puppe auf Rebecca zugelaufen, hielt ihr das armselige Spielzeug hin und sagte: “Schöne Dame”.
    Rebecca beugte sich zu der Kleinen hinunter und bewunderte gebührend den Haufen Lumpen, der so ganz anders aussah als die hübschen Puppen mit Porzellangesichtern und echten Haaren, die sie selbst als Kind besessen hatte. Vielleicht meinte das Kind auch gar nicht sein Spielzeug, sondern sie?
    Sofort kam die Mutter gerannt, riss das Mädchen fort und fauchte: “Lass mein Kind in Ruhe.”
    Die Kleine steckte einen Finger in den Mund, zeigte dann auf Rebecca und wiederholte: “Schöne Dame!”
    “Das soll sie wohl sein. Hat ja immer genug zu beißen gehabt im Leben. Tut ihr nur gut, mal zu erleben, wie es ist, wenn man Hunger hat!” keifte die

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