Stevens, Chevy
Kopf,
Doc. Er war draußen »auf der Jagd« gewesen, was immer das zu bedeuten hatte,
und trug Jeans und eine schwarze Jacke mit dem Logo der Royal Canadian Mountain
Police. Außerdem hatte er eine Baseballkappe auf. Ich fragte ihn, ob alle
seine Anzüge in der Reinigung seien, aber in Wahrheit fand ich, dass er
ziemlich cool aussah. Er strahlte aus, dass man sich besser nicht mit ihm
anlegen sollte.
Letzte
Nacht war ich auch noch bei Mom, und nachdem ich sie und Wayne die ganze Zeit
über habe streiten hören - Mom säuft seit dem Überfall wie ein Loch -, hatte
ich einen weiteren Albtraum über den weißen Van, aber diesmal endete er gut:
Ein Mann hielt mich beschützend in den Armen. Als ich aufwachte, stellte ich
fest, dass es Garys Arme gewesen waren.
Ich fühlte
mich entsetzlich schuldig. Ich meine, da ist der arme Luke, der so geduldig ist
und es immer wieder probiert, und ich träume von dem Cop, der ihn durch die
Hölle geschickt hatte.
Manchmal
wünsche ich mir, Gary könnte irgendwo mit mir hingehen, wie ein Bodyguard. Dann
trete ich mir im Stillen in den Hintern, weil ich weiß, dass ich mich bei
niemandem die ganze Zeit sicher fühlen würde. Es ist komisch, ich dachte
immer, bei Luke würde ich mich sicher fühlen, aber das war eine andere Art von
Sicherheit - eine ruhige, naive Sicherheit.
Gary hingegen ist alles andere als naiv.
Nachdem
ich heute Morgen nach Hause zurückgekehrt bin, kontrollierte ich mit Emma, die
vor jedem Schatten zurückschreckte, die nähere Umgebung und überprüfte x-mal
die Alarmanlage. Um mich abzulenken, blätterte ich wieder in der Broschüre der
Kunstschule, von der ich Ihnen erzählt habe. Sie liegt in den Rocky Mountains,
ein wunderschöner Campus - so hatte ich mir immer Harvard vorgestellt. Ich habe
mir sogar ein paar Formulare von der Website runtergeladen. Weiß der Teufel,
warum. Das Einzige, das mir geblieben ist und das mir wirklich wichtig ist,
ist mein Haus. Ich bin vielleicht durchgeknallt, aber ich wäre ja völlig unzurechnungsfähig,
wenn ich es verkaufen würde, um mir einen Jugendtraum zu erfüllen. Was, wenn
ich es versuche und als Künstlerin nie irgendetwas erreiche? Was dann?
In diesem
Sinne, Doc, sollten wir besser mit dieser Sitzung Schluss machen. Auf dem
Rückweg muss ich zur Polizei und noch mehr Fotos durchsehen. Zumindest habe ich
dann eine gute Entschuldigung, um Gary heute Abend anzurufen.
23. Sitzung
Tut mir
leid, dass ich Sie so kurzfristig um einen Termin gebeten habe, Doc, aber in
den letzten paar Tagen ist so viel passiert, dass ich nicht bis zu unserem
regulären Termin warten konnte.
Nach der
letzten Sitzung bin ich direkt aufs Polizeirevier in Clayton Falls gefahren und
habe mir eine Stunde lang Bilder angesehen. Ich wollte gerade gehen, weil mein
Rücken schon schmerzte und die ganzen Kerle langsam alle gleich aussahen. Nur
ein Typ kam mir bekannt vor, aber ich erinnerte mich, dass ich ihn vor kurzem
in der Zeitung gesehen hatte. Dann dachte ich an Gary, wie er das Bild da
draußen herumzeigte, und zwang mich weiterzumachen. Beinahe hätte ich das Bild
von einem Typ mit rasiertem Kopf und Vollbart überblättert, aber irgendwas an
den unschuldigen blauen Augen, die so gar nicht zum Rest des Gesichts zu passen
schienen, ließ mich genauer hinsehen. Er war es.
Ich brach
in kalten Schweiß aus, und mein Blickfeld verschwamm. Um nicht ohnmächtig zu
werden, riss ich mich von dem Anblick los und legte den Kopf auf die
Tischplatte. Ich konzentrierte mich auf meinen rasenden Herzschlag, holte ein
paarmal tief Luft und murmelte im Takt der hämmernden Schläge: »Er ist
tot ... Er ist tot ... Er ist tot.« Als mein Blick wieder klarer wurde
und der Puls ruhiger, betrachtete ich das Bild erneut.
Ich winkte
einem der Cops, und als ich ihm sagte, ich hätte ihn gefunden, rief er Gary auf
dem Handy an. Unter keinem der Bilder stand ein Namen, und der Cop antwortete
mir nicht auf meine Fragen, also bestand ich darauf, mit Gary zu sprechen.
»Ich
verstehe nicht, warum niemand mir sagt, wer er ist - er ist immerhin
vorbestraft. Ich habe mir stundenlang diese verdammten Bilder angesehen, da ist
es ja wohl das Mindeste, dass Sie mir seinen Namen sagen.«
»Es ist
großartig, dass Sie das Bild identifiziert haben, Annie, aber wir müssen die
Information zuerst überprüfen. Ich möchte nicht, dass Sie sich zu sehr
aufregen, nur um dann festzustellen, dass es der falsche Mann ist...«
»Er ist
es. Ich habe ein ganzes Jahr mit
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