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Stevens, Chevy

Stevens, Chevy

Titel: Stevens, Chevy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Still Missing
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dann in so ein kleines Haus!«
    »Wir waren
nur zu zweit. Wir brauchten nicht viel Platz.«
    Wir
bezogen ein winziges Haus mit zwei Schlafzimmern im schlimmsten Viertel von
Clayton Falls, mit Blick auf die Papiermühle. Wodkaflaschen hatten die
Pillendosen ersetzt.
    Moms
rosafarbene Morgenmäntel waren jetzt aus Nylon statt aus Seide, und ihr Estee
Lauder Parfüm wurde durch eine billige Kopie ersetzt. Wir waren vielleicht
knapp bei Kasse, aber sie schaffte es immer, genug Kohle für ihre
französischen Zigaretten - Mom glaubte, alles Französische sei elegant - und
ihren nicht ganz so eleganten Wodka zusammenzukratzen. Popov ist nicht
Smirnoff.
    Sie hatte
nicht nur das Haus, sondern auch Dads sämtliche Sachen verkauft. Daisys Pokale
und Kostüme hatte sie natürlich aufbewahrt, sie hingen jetzt in Moms Schrank.
    »Aber ihr
zwei seid nicht lange allein geblieben, oder?«
    »Sie hatte
eine Menge durchgemacht. Eine alleinerziehende Mutter hat es schwer. Sie hatte
nicht viele Alternativen. «
    »Also
dachte sie, dass sie dieses Mal einen richtigen Mann finden musste, der sich um
sie kümmerte.« Er lächelte.
    Einen
Augenblick starrte ich ihn an. »Sie hat gearbeitet... nach dem Unfall.«
    Als
Sekretärin in einer kleinen Baufirma, vor allem aber hatte sie hart daran
gearbeitet, gut auszusehen. Nie verließ sie das Haus, ohne vollständig geschminkt
zu sein, und da sie normalerweise noch verkatert war, wenn sie das Zeug
auftrug, waren ihre Augen oft verschmiert oder die Wangen zu hell. Doch
seltsamerweise half ihr das. Sie wirkte dann wie eine zerbrochene Puppe, und
die Männer sahen sie an, als wollten sie Mom vor der großen bösen Welt retten.
Ihr neuer Status als Witwe hielt sie nicht davon ab zurückzulächeln.
    Vier
Monate später hatte ich meinen neuen Stiefdad. Mr Möchtegern. Er arbeitete als
Verkäufer für die Firma, fuhr einen Caddie, rauchte Zigarren und trug sogar
Cowboystiefel - was vielleicht noch nachvollziehbar gewesen wäre, wenn er aus
Texas oder meinetwegen aus Alberta stammen würde, aber ich glaube nicht, dass
er jemals von der Insel runtergekommen war. Auf eine Art war er ganz attraktiv,
ein Kerl mit Ecken und Kanten, wie ein alternder Tom Seileck. Kurz nach der
Hochzeit schmiss Mom ihren Job. Vermutlich dachte sie, er wäre eine gute
Partie.
    »Was hast
du von deinem neuen Vater gehalten?«
    »Er ist in
Ordnung. Er scheint sie wirklich zu lieben.«
    »Deine
Mutter hatte also ein neues Leben. Aber hast du da noch hineingepasst?«
    »Wayne
versuchte es.«
    Ich wollte
ihm gegenüber zumindest ein wenig von der Nähe empfinden, die zwischen meinem
Vater und mir geherrscht hatte, aber Wayne und ich hatten einander nichts zu
sagen. Das Einzige, was er las, waren alberne Zeitschriften oder Broschüren
mit Tipps zum Thema »Wie-werde-ich-schnell-reich«. Dann fand ich heraus, wie
ich ihn zum Lachen bringen konnte. Sobald ich begriff, dass er mich lustig
fand, verwandelte ich mich in seiner Gegenwart in einen totalen Deppen und tat
alles, was mir einfiel, damit er sich schlapplachte. Aber wenn er es tat, wurde
Mom sauer und sagte so etwas wie: »Hör auf, Wayne, du ermutigst sie doch nur.«
Also hörte er auf. Verletzt machte ich meine Späße für ihn, wann immer ich konnte,
und wusste ständig alles besser. Am Ende ignorierten wir einander.
    Der Psycho
starrte mich aufmerksam an, und ich stellte fest, dass mein Versuch, mehr über
ihn zu erfahren, nur dazu geführt hatte, sein Wissen über mich zu erweitern. Es
war Zeit, den Faden wiederaufzunehmen.
    »Was ist
mit deinem Vater?«, fragte ich. »Du hast ihn nicht erwähnt.«
    »Vater?
Der Mann war nie ein Vater für mich. Und für sie war er auch nicht gut genug,
aber sie wollte das nicht sehen.« Er wurde lauter. »Er war Handelsvertreter,
ein fetter, behaarter Vertreter, der ...«
    Er
schluckte ein paarmal. »Ich musste sie befreien.«
    Es waren
nicht nur die Worte, bei denen ich eine Gänsehaut bekam, es war die
Tonlosigkeit seiner Stimme, mit der er sie aussprach. Ich wollte mehr erfahren,
aber mein Instinkt warnte mich, es bleiben zu lassen. Doch es war ohnehin egal.
Welcher Sturm auch immer in ihm tobte, er war vorbei.
    Lächelnd
sprang er aus dem Bett, streckte sich und sagte nach einem zufriedenen Seufzer:
»Genug geredet. Wir sollten lieber den Beginn unserer eigenen Familie feiern.«
Er starrte mich eindringlich an, dann nickte er. »Bleib liegen.« Er zog sich
an, nahm seine Jacke und verschwand nach draußen. Als er die Tür öffnete,

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