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Stevens, Chevy

Stevens, Chevy

Titel: Stevens, Chevy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Still Missing
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worden. Etwa drei Meter weiter
vorn fiel die Böschung leicht nach unten ab.
    Als ich
auf den Rand zuging, stellte ich fest, dass es sich bei der Böschung um einen
schmalen Weg handelte, der von der Hauptpiste abzweigte. Der Freak musste den
Van nahe bei der Hütte versteckt haben, und so beschloss ich, dem Pfad zu
folgen. Nicht viel breiter als ein Truck, war er völlig mit Gras überwachsen,
und wenn man hier entlangfuhr, würde man ihn wahrscheinlich gar nicht
bemerken.
     
    Der Weg
beschrieb eine Kurve und verlief dann parallel zur Hauptpiste, wobei mehr als
sieben Meter, dicht mit Bäumen bewachsen, zwischen beiden Straßen lagen.
    Nach einer
Weile kam ich an einem kleinen weißen Knochen vorbei, und ich blieb stehen.
Mein Herz setzte aus. Zentimeter für Zentimeter suchte ich den Boden ab, dann
entdeckte ich einen Knochen, der zu groß war, als dass er von meinem Baby hätte
stammen können, und nach wenigen Schritten stolperte ich über das Skelett
eines Hirsches.
    Ich folgte
dem Weg, bis er vor einer Wand aus toten Brombeeren und Zweigen endete. Am
Boden glänzte ein Stück Metall in der Sonne. Fieberhaft riss ich die Zweige weg
und starrte auf die Rückseite des Vans.
    Ein
schneller Blick ins Handschuhfach förderte keine Brieftasche oder
Fahrzeugpapiere zutage, nicht einmal eine Karte gab es. Ich spähte durch die
Sitze auf die dämmrige Ladefläche des Vans, entdeckte etwas Stoff, der zu einem
Ball zusammengeknüllt war, und griff danach. Es war die graue Decke.
    Das Gefühl
des rauen Stoffes in meiner Hand, zusammen mit dem Geruch im Van, war mir nur
zu vertraut. Ich ließ die Decke fallen, als hätte sie Feuer gefangen, und
schnellte auf dem Sitz herum. Ich versuchte, nicht an das zu denken, was dort
auf der Ladefläche geschehen war, und konzentrierte mich darauf, den Schlüssel
im Zündschloss umzudrehen. Nichts.
    Ich hielt
den Atem an. Bitte spring an, bitte spring an ... und drehte den Schlüssel
erneut. Nichts. In der Gluthitze des Vans war ich schweißgebadet, und dort, wo
mein Kleid hochgerutscht war, klebten meine Beine an den Kunststoffsitzen. Die
Stirn gegen das heiße Lenkrad gestützt, atmete ich ein paarmal ruhig ein und
aus, dann öffnete ich die Motorhaube. Ich entdeckte das gelöste Batteriekabel auf
Anhieb, befestigte es wieder und versuchte erneut, den Motor zu starten.
Dieses Mal sprang er sofort an, und aus dem Radio plärrte Countrymusik. Es war
so lange her, seit ich das letzte Mal Musik gehört hatte, dass ich lachte. Als
der Moderator sprach, fing ich die Worte auf: »... zurück zu einer werbefreien
Stunde.« Aber es folgte kein Hinweis darauf, wo ich war, und als ich
versuchte, einen anderen Sender einzustellen, drehte der Knopf durch.
    Ich legte
den Rückwärtsgang ein, setzte auf dem engen Weg zurück, fegte über die
Schösslinge hinweg und schoss hinauf auf den Hauptweg. Der Schotterweg war
schon lange nicht mehr ausgebessert worden und mit Schlaglöchern übersät, also
dauerte es eine Weile, bis ich vom Berg herunter war. Nach vielleicht einer halben
Stunde hatte ich Asphalt unter den Reifen, und etwa zwanzig Minuten später
wurde die Straße gerade.
    Endlich
erfasste meine Nase den vertrauten Geruch des Meeres, vermischt mit dem
Schwefelgestank eines Stahlwerks, und ich erreichte eine kleine Stadt. Als ich
an einer roten Ampel stoppte, entdeckte ich rechts von mir einen Coffeeshop.
Der Duft von gebratenem Speck zog durch mein geöffnetes Fenster, und
sehnsüchtig sog ich das Aroma auf. Der Psycho hatte mich nie Speck essen
lassen, er sagte, davon würde ich fett werden.
    Mir lief
das Wasser im Mund zusammen, als ich einen alten Mann beobachtete, der in der
Nähe des Fensters saß und sich ein Stück Speck in den Mund schob, rasch kaute
und dann ein anderes hinterherschob. Ich wollte Speck - einen Teller voll,
nichts sonst, nur ein Streifen Speck nach dem anderen -, und dann würde ich
jedes Stück langsam kauen, den salzigen und zugleich leicht süßlichen Saft auskosten,
den jeder Bissen freigab. Ein großes Speckfest, und der Psycho konnte mich mal.
    Der alte
Mann wischte sich die fettigen Finger an der Schulter seines Hemds ab. In
meinem Kopf flüsterte der Psycho: Du willst doch kein Schwein sein,
oder, Annie?
    Ich wandte
den Blick ab. Auf der anderen Straßenseite war ein Polizeirevier.
     
    19.
Sitzung
     
    Ich hoffe,
Sie fühlen sich diese Woche wieder besser, Doc. Ich kann es Ihnen wohl schlecht
übelnehmen, dass Sie letzte Woche abgesagt haben, immerhin war ja

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