Stich ins Herz - Robb, J: Stich ins Herz - Origin in Death (Death 21)
Galle ins Gesicht.
Während der gesamten Fahrt nach Hause unterhielt sie sich mit Variationen dieses Themas, probierte fröhlich verschiedene Betonungen und Stimmlagen aus, und als sie das Tor des Anwesens erreichte, glitt es automatisch für sie auf und bot ihr einen freien Blick auf den geschwungenen Weg in Richtung Haus.
Es war teils Festung und teils Burg und ragte mit seinen Zinnen, Türmen, Erkern und Terrassen wie ein Fantasiegebilde in den wolkigen Abendhimmel auf. Das gelbe Licht hinter den unzähligen Fenstern hob sich einladend und warm von der Düsternis des Abends ab, sie fühlte sich hier willkommener als je zuvor an irgendeinem anderen Ort.
Sie hätte nie erwartet, dass sie jemals irgendwo so heimisch würde, überlegte sie.
Das Haus, die hellen Lichter, die Stärke und die Schönheit dessen, was er gebaut und ihr gegeben hatte, riefen schmerzliche Sehnsucht in ihr wach. Fast hätte sie noch einmal kehrtgemacht.
Sie könnte zu Mavis fahren. War der Musik- und Videostar, ihre beste Freundin, nicht gerade in der Stadt? Aber Mavis war hochschwanger, überlegte sie. Wenn sie zu Mavis führe, müsste sie die Hand auf die Furcht erregende Wölbung ihres Bauches legen, Schwangerschaftsgespräche führen und bekäme winzige, fremdartige Kleidungsstücke und noch fremdartigere Geräte vorgeführt.
Danach wäre es gut, danach wäre es okay.
Aber sie war einfach zu müde für das einschüchternde Vorgeplänkel. Und vor allem hatte sie noch alle Hände voll zu tun.
Sie schnappte sich ihre prall gefüllte Aktentasche, ließ den Wagen – weil Summerset wie immer daran Anstoß nähme – einfach vor der Treppe stehen und trat, von dem Gedanken an die wunderbaren Sätze, die sie ihm entgegenschleudern könnte, halbwegs aufgemuntert, durch die Tür.
Sie trat in die helle, warme, elegante Eingangshalle, schälte sich aus ihrer Jacke und hängte sie – ebenfalls, um Summerset zu ärgern – einfach über dem Treppenpfosten auf.
Anders als erwartet tauchte er aber nicht plötzlich wie ein giftiger Nebel auf. Dabei tauchte er jedes Mal, wenn sie nach Hause kam, lautlos wie ein giftiger Nebel in der Eingangshalle auf. Erst war sie leicht verwirrt, dann verärgert und am Schluss etwas besorgt, dass er vielleicht im Verlauf des Tages einfach irgendwo tot umgefallen war.
Dann aber schlug ihr Herz mit einem Mal ein wenig schneller, ihre Haut fing an zu kribbeln, denn oben an der Treppe erschien urplötzlich – Roarke.
Er konnte unmöglich noch attraktiver sein als vor einer Woche, doch als er plötzlich unerwartet vor ihr stand, kam er ihr noch attraktiver vor.
Sein von dichtem, schwarzem Haar gerahmtes, starkes, kraftvolles Gesicht sah wie das eines reulosen gestürzten Engels aus. Sein voller, fein geschwungener, unwiderstehlicher Mund bedachte sie mit einem Lächeln, als er ihr entgegenkam. Angesichts des Blitzens seiner unglaublichen, leuchtend blauen Augen wurden ihre Beine schwach.
Blöd, blöd, blöd, sagte sie sich. Er war ihr Mann, und sie kannte ihn so gut wie keinen anderen Menschen auf der Welt. Trotzdem schlug das Herz ihr bis zum Hals und wurden ihre Knie weich, sobald sie ihn nur sah.
»D u solltest nicht hier sein«, sagte sie.
Unten angekommen blieb er stehen, zog eine Braue in die Höhe und sah sie fragend an. »S ind wir umgezogen, als ich weg war?«
Sie schüttelte den Kopf, ließ ihre Tasche fallen und sprang ihm in die Arme.
Sein Geschmack war der Willkommensgruß, der sie sich richtig zu Hause fühlen ließ. Das Gefühl von seinem schlanken, muskulösen Körper mit der samtig weichen Haut war für sie in höchstem Maß erregend und zugleich der größte Trost.
Sie schnupperte an ihm wie ein kleines Hündchen und nahm den leichten Duft von Seife wahr. Er hatte geduscht, bemerkte sie und küsste ihn zärtlich auf den Mund. Hatte seinen eleganten Anzug gegen Jeans und einen Pullover eingetauscht. Das hieß, sie gingen nirgendwo mehr hin und es käme auch niemand mehr zu Besuch. Das hieß, es gäbe heute Abend nur sie zwei.
»I ch habe dich vermisst.« Sie umfasste sein Gesicht mit beiden Händen. »I ch habe dich total vermisst.«
»M eine geliebte Eve.« In seiner Stimme schwang ein Hauch von Irland mit, als er ihr Handgelenk umfasste, ihre Hand vor sein Gesicht hob und ihr einen Kuss auf den Handballen gab. »E s tut mir leid. Ich hatte gehofft, ich könnte früher wiederkommen, aber das hat leider nicht geklappt.«
Sie schüttelte den Kopf. »J etzt bist du wieder da, und du bist
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