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Stiefkinder der Sonne

Stiefkinder der Sonne

Titel: Stiefkinder der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Cooper
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an. Es waren gute, feste Armeestiefel mit Nägeln in den dicken Ledersohlen. „So was kommt vor.“
    „Hast du immer noch vor, abzuhauen?“
    „Wenn die Zeit dazu kommt.“ Greville hatte keine Ahnung, wann die Zeit dazu kommen würde. Er war zu müde, um Pläne zu machen. Er hoffte nur, daß sich eine Gelegenheit bieten würde, wenn er Big Toms Grundausbildung überstanden hatte und er der Propagandachef des Squires werden würde.
    Greville hatte dabei jedoch nicht mit seiner Spontaneität, seinen Impulsen und Gefühlen gerechnet. Wenn ihn jemand gefragt hätte, warum er in der Kaserne vor dem Einschlafen seine Stiefel untersuchte, hätte er keine befriedigende Antwort geben können. Aber etwas tief in ihm wußte Bescheid, und etwas tief in ihm wartete nur auf eine Gelegenheit.
    Sie kam kurz vor dem Mittag des neunten Tags. Ein weiterer neuer Rekrut war zu der Gruppe gestoßen – ein großer, kräftiger Junge von ungefähr achtzehn Jahren. Big Tom hatte seine Aufmerksamkeit von Greville auf den Jungen verlegt, der von seiner Tätigkeit als Schweinehirt gelangweilt gewesen war und den Leichtsinn besessen hatte, sich als Freiwilliger für die Spezialausbildung zu melden. Er bereute diesen Entschluß bereits, denn Big Tom hatte ihn vor die übliche Wahl gestellt, und er hatte sich für den Kampf entschlossen. Nun lag er zerschunden und blutüberströmt auf dem Boden und war voller Selbstmitleid.
    Obwohl der Kampf sehr kurz gewesen war, hatte Greville ihn genau beobachtet. Er hatte bemerkt, daß Big Tom den Sturmangriff mochte und die Sache so schnell wie möglich zu ihrem Ende bringen wollte.
    Er war ein aggressiver Kämpfer, dessen einziger Instinkt – zu seinem Glück von großer Kraft unterstützt – es war, loszustürmen und zu zerstören.
    Greville suchte sich seine Position sorgfältig aus. Er stand auf einer leichten Bodenerhebung. Dann, als Big Tom sich seines leichten Siegs brüstete, sagte Greville mit lauter Stimme: „Niemand als ein großsprecherischer, fetter Idiot würde sich eines Siegs über alte Männer oder Jungen brüsten.“
    Big Tom starrte ihn verblüfft an. „Sag das noch mal, mein Jungchen“, sagte er mit rauher Stimme. „Du mußt das Leben sehr satt haben.“
    „Leg die Waffe ab“, sagte Greville und sah herausfordernd auf Big Toms Revolver, „und du verlierst die Hälfte von deinem Mut. Iren aus Liverpool haben in einem fairen Kampf noch nie viel getaugt.“
    Big Tom nahm den Revolver aus der Halfter. Einen Augenblick dachte Greville, er sei zu weit gegangen. Einen Augenblick dachte er, daß er für seinen verbalen Angriff eine Kugel einfangen würde.
    Big Tom jedoch legte den Revolver sorgfältig ins Gras. „Daß mir da bloß niemand drangeht“, warnte er die Gruppe, die nun wortlos und voller Staunen Greville anstarrte. „Niemand geht da dran. Ich brauche nur dreißig Sekunden, um diesem Herrn mit der scharfen Zunge das Rückgrat zu brechen – genug Zeit für ihn, daß er seinen Frieden mit Gott machen kann.“
    Greville rührte sich nicht. „Deine Mutter muß eine dumme alte Kuh gewesen sein“, sagte er ermutigend. „Du hast die Sorte Gesicht.“
    Big Tom raste mit einem Wutschrei los. Er kam wie ein Panzer den kleinen Hügel hoch auf Greville zugerannt, der regungslos stehenblieb, bis Big Tom weniger als drei Yards von ihm entfernt war. Dann sprang Greville in die Luft, zog seine Beine an sich, drehte sich halb zur Seite und streckte beide Beine gleichzeitig, als seien sie gebogene Stahlfedern.
    Beide Stiefel trafen Big Tom mitten ins Gesicht. Er flog nach hinten und fiel mit einem dumpfen Schlag flach auf den Rücken. Er bewegte sich nicht.
    Greville stand auf, sah, daß Nosey den Revolver in der Hand hatte, und ging zu Big Tom hinüber, um ihn zu untersuchen. Einer oder zwei von den Männern folgten ihm. Die übrigen schienen von der Geschwindigkeit, mit der sich das Ganze abgespielt hatte, wie betäubt.
    Big Toms Gesicht war völlig zerschlagen, aber darüber brauchte er sich keine Gedanken mehr zu machen. Er war tot. Er war bei seinem Sturz auf einen ziemlich großen Stein gefallen, der ihm den Schädel zerschmettert hatte.
    Jemand hob Big Toms Kopf, und dann gab es wütendes Gemurmel, aber Greville hörte Noseys Stimme.
    „Der erste Typ, der hier etwas versucht, kriegt eine Kugel in den Bauch. Ich habe nur sechs, also bleiben eine ganze Menge von euch übrig. Wer aber will zu den sechs gehören?“
    Niemand gab Antwort. Greville spürte, wie plötzlich eine

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