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Stiefkinder der Sonne

Stiefkinder der Sonne

Titel: Stiefkinder der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Cooper
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genauso wie ich.“
    „Zum Streiten haben wir jetzt keine Zeit. Nimm die blöde Kanone. Ich habe es sowieso satt, sie zu tragen … Und – viel Glück, Nosey.“
    Nosey nahm den Revolver und streckte seine andere Hand aus. „Dir ebenfalls das beste englische Glück, Kumpel. Wir schaffen es zwar nicht, aber scheiß drauf.“ Er zwang sich ein Grinsen ab. „Allein schon wegen Big Tom war es die Sache wert. Mach’s gut.“
    „Wir schaffen es“, sagte Greville. „Auf geht’s.“
    Greville schickte an seine Beine ein gedachtes Dringlichkeitstelegramm. Er starrte verblüfft an sich hinunter, als sich eines von ihnen vor das andere setzte. Die Bewegung entwickelte sich zu einem ungelenken Gehen, und daraus wurde ein stolperndes Laufen. Er sah sich nicht um, was vielleicht ein Glück für ihn war, denn Nosey rührte sich nicht. Er sank nur dankbar in dem Gras zusammen und streckte seine müden Beine aus. Dann schaute er sich den Revolver an. Drei Patronen. Das hieß: zwei für die Hunde …
    Greville hatte mehr als drei Viertel einer Meile hinter sich gebracht, als er die Schüsse hörte. Mechanisch zählte er mit. Einer … eine lange Pause … zwei … eine längere Pause … drei …
    Greville rannte weiter. Er war einfach zu müde, um an Nosey zu denken. Es war ihm klar, daß er, wenn er anhielt, dieses Mal nicht würde weiterrennen können. Also rannte er weiter. Er hatte den Gipfel des Hügels erreicht und rannte nun auf der anderen Seite hinab, und deshalb hörte es sich an, als seien die Hunde etwas weiter weg. Er sah nach vorn und strengte sich an, Nieder-Brabyns zu erspähen. Er meinte in der Entfernung etwas zu sehen, was wie ein Dorf aussah, aber immer wieder schienen ihm Nebelfetzen die Aussicht zu stören.
    Er fragte sich dumpf, warum diese Nebelfetzen wohl rot gefärbt waren und warum mitten darin immer wieder kleine Blitze zuckten. Aber er rannte weiter. Es blieb ihm sonst nichts übrig.
    Kurze Zeit später begann er zu stürzen. Dieses Gefühl erfüllte ihn mit Angst, da er aus einer großen Höhe herunterzufallen schien. Es erfüllte ihn außerdem mit Angst, daß die Versuchung, dort liegenzubleiben, wo er lag, riesengroß war. Die Energie, die notwendig war, um aufzustehen, schien die menschliche Leistungsfähigkeit zu übersteigen. Trotzdem gelang es ihm aufzustehen. Zuerst fluchte er, dann stöhnte er, und zum Schluß wimmerte er.
    Die Welt wurde schwarz. Er hatte keine Ahnung, wohin er ging, und er wußte nicht einmal, wo er herkam. Er wußte nur, daß er weiter mußte.
    Schließlich blieb für irgendwelche Bewegungen keine Kraft mehr. Er fiel über etwas, das ihm in beide Beine zu schneiden schien. Als er hinfiel, meinte er Kirchenglocken zu hören, nein, nicht Kirchenglocken, kleine Glöckchen.
    Merkwürdigerweise fiel ihm James Elroy Flecker ein:
     
    Wenn die langen Karwanen, die über jene Eb’ne ziehn,
    Mit kühnem Schritt und dem Geläut von Glocken
    Sich nicht für Ruhm mehr oder Gold aufmachen,
    Den Trost der palmumkränzten Brunnen nicht mehr suchen …
     
    Und dann dachte er an palmumkränzte Brunnen und an eine heiße Sonne, die von einem azurblauen Himmel ihre Energie verstrahlte. Er dachte an verschwitzte Kamele und an verschwitzte Männer mit dunklen, faltigen Gesichtern. Er dachte an Palmen und Wasser und Musik, und er dachte an das Samarkand, das es nur in den Gedanken der Menschen gab.
    Die Vision war wunderbar schön, zu schön, um sie aufzugeben. Er war jedoch zu müde, um an ihr festzuhalten. Das Geräusch der silbernen Glöckchen verklang. Die Sonne verdunkelte sich. Aus der Oase wurden glänzende schwarze Tümpel. Alles, was zum Schluß übrigblieb, war die Nacht …
    Als Greville endlich die Augen öffnete, fand er sich in einem Liegestuhl. Das erste, was er sah, war ein Holzfeuer, das in einem offenen Herd knisterte und flackerte. Das zweite, was er sah, war eine Gruppe von Leuten – zwei Männer und eine Frau.
    Das dritte, was er sah, war ein nackter Frauenkörper. Keine Beine. Keine Arme. Nur Brüste, schwer wie überreife Melonen, und ein Bauch, der so glatt und rund war, daß er sicher die gesamte Fruchtbarkeit des Alls enthielt. Er war aus Stein gehauen. Hinter dem Torso stand ein zweiter Steinklotz, grob und unbestimmt behauen, in dem zwei Löcher waren. Dahinter stand ein Gegenstand aus Eisen. Vielleicht war es ein verdrehtes Skelett, vielleicht war es aber auch ein verdrehtes Bettgestell, vielleicht war es sogar ein komischer Käfig für einen merkwürdig

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