Stiefkinder der Sonne
Ehrlichkeit. Er hatte das Gefühl, daß dies hier die Art Gemeinschaft sein könnte, in der er für sich einen Platz finden könnte. Bevor er sich aber über seine Zukunft Gedanken machen konnte, war noch ein Problem zu lösen.
„Also, was willst du, verdammt noch mal?“ fragte Paul.
Greville sah ihn an. „Zunächst einmal will ich Liz.“
Paul seufzte. „Wie romantisch! Sir James Oldkknow hat sie für die Zucht vorgesehen. Was willst du denn machen – hingehen und ihn höflich bitten, sie mit Aussteuer und Babysachen hierherzuschicken?“
„Ich hatte gedacht, ihr helft mir vielleicht.“
„Na, so was! Und wir sollen uns also in Stücke hauen lassen, bloß weil du die Frau verloren hast? Da mußt du dir schon was anderes überlegen.“
Greville wurde langsam wütend. „Wenn ihr lange genug auf eurem Arsch sitzen bleibt, dann werdet ihr eines Tages feststellen, daß ihr gerade freiwillig Leibeigene geworden seid.“
„Das bezweifle ich“, sagte Meg. „Alexander, unser kleiner Negerfreund, ist so verrückt – also, der ist glatt zwei Bataillone wert. Wenn Sir James Oldknow uns seinem Reich einverleiben will, dann wird er das bereuen.“
„Da wir gerade davon sprechen“, sagte Joseph, „Sir James war bereits so freundlich, uns eine Abordnung zu schicken. Sie sind eine halbe Stunde nach dir gekommen. Sir James läßt sagen, daß er dich zurückhaben will. Außerdem sagte er, du hättest dich ziemlich danebenbenommen, aber das will er dir verzeihen. Liz bekommt allerdings nichts zu essen, bis du wieder da bist …“
„Was wollt ihr denn machen?“ fragte Greville.
„Nichts“, sagte Meg ruhig. „Das ist nicht unser Problem. Wie Paul schon sagte, haben wir keine Lust, unseren Hals für Leute zu riskieren, die wir noch nicht einmal gesehen haben.“
Einen Augenblick lang sagte Greville nichts. „Könnt ihr mir Waffen geben?“ fragte er schließlich.
Paul lachte. „Sir Lancelot schwingt sich wieder auf sein Roß! Was glaubst du denn, was du groß machen kannst?“
„Nicht viel“, sagte Greville einfach. „Aber versuchen kann ich es … Also, gebt ihr mir Waffen?“
„Das müssen wir. mit Alexander besprechen“, sagte Joseph. „Er hat ein recht reichhaltiges Arsenal zusammengestellt, und ich denke schon, daß sich da was machen läßt.“ Er lächelte Greville dünn zu. „Ich hoffe, du weißt nicht, was du tust … Übrigens, und nur des Protokolls wegen: Du wirst das, was du brauchst, stehlen müssen und uns heimlich und bei Nacht verlassen.“
Greville gelang es, sich ein Lächeln abzuringen. „Merkwürdigerweise“, sagte er, „wollte ich ganz genau das machen.“
28
Die Nacht war kalt, aber sie hatten Greville zwei Pullover und eine dicke Cordhose gegeben. Es hatten sich sogar zwei Freiwillige gefunden, die mit ihm gehen wollten – zweifellos in der Hoffnung, dabei Frauen für sich selbst zu erwischen. Paul aber hatte sich dagegen ausgesprochen. Er hatte trocken darauf hingewiesen, daß Sir James Oldknow einen völlig legitimen Grund wie auf dem Tablett serviert bekäme, gegen sie zu Feld zu ziehen, wenn noch andere Leichen als die von Greville gefunden würden. Das einzige Gefühl von Einigkeit, das unter seiner gemischten Gefolgschaft möglich war, würde durch tatsächlichen oder versuchten Frauenraub voll zur Entfaltung kommen.
Greville war also völlig auf sich selbst gestellt. Alexander, der Neger, ein Napoleon in Kleinformat, der darauf bestand, sich General der Anarchisten zu nennen, hatte sich als sehr freundlich erwiesen. Er überließ Greville eine uralte, aber funktionierende Sten-Maschinenpistole, sechs Magazine, zwei Handgranaten, ein Messer und eine Selbstmordpille. Die Pille hatte Greville zwar nicht sonderlich interessiert, aber Alexander hatte darauf bestanden. Seiner Meinung nach gehörte sie dazu.
Als Greville sich auf den Weg durch die fünf Meilen Niemandsland machte, die die beiden Dörfer trennten, war er dankbar, daß kein Mond schien und die Nacht recht neblig war. Er war jedoch nicht übermäßig optimistisch, was seine Mission betraf. Es war ihm klar, daß er mehr brauchte als eine dunkle Nacht und das Element der Überraschung. Er brauchte etwa zehn gute Leute und ungefähr zehn Wunder in direkter Reihenfolge.
Es war ihm klar, daß kaum Hoffnung bestand, auch nur in die Nähe von Liz zu kommen. Sir James hatte sie wahrscheinlich sowieso aus dem Bau verlegt. Greville dachte jedoch, daß vielleicht noch die entfernte Möglichkeit
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