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Still und starr ruht der Tod

Still und starr ruht der Tod

Titel: Still und starr ruht der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmoee
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beiseite. »Und jetzt?«
    »Machen Sie sich keine Sorgen. Und danke! Sie sind gerade im richtigen Moment heimgekommen.«
    »Bedanken Sie sich bei meiner Patientin Linda. Ihr Baby wollte so schnell auf die Welt!« Eva grinste und ging in ihre Wohnung.
     
     
     
    39
     
    Walli hatte die Tabletten abgesetzt. Es wurde Zeit, dass sie der Wirklichkeit ins Gesicht sah. Die Realität mochte hässlich sein, aber lange nicht so hässlich wie die Fratzen der Gedanken, die sich unter dem Einfluss des Beruhigungsmittels in ihrem Kopf aufblähten.
    Zuerst rief sie bei Susanne an, aber die ging nicht an ihr Handy. Klar, sie war bei der Arbeit. Walli erwog, bei der Detektivin in Bamberg anzurufen, verwarf den Gedanken aber schnell. Wozu sollte es gut sein? Sie war auf sich gestellt und musste sich mit den Tatsachen abfinden. Sie hatte Entscheidungen zu treffen, und jeder noch so gut gemeinte Zuspruch würde nichts daran ändern, dass alles an ihr selbst hing. Sie brauchte eine kleinere, billigere Wohnung. Sie brauchte einen Job. Womöglich könnte sie bei ihrem früheren Schulleiter vorbeischauen. Er hatte ihr nach ihrem Weggang mehrmals Mails geschickt und sie aufgefordert, sich alles in Ruhe zu überlegen. Sie könnte jederzeit wieder bei ihm anfragen.
    Vielleicht wäre eine halbe Stelle für den Anfang in Ordnung, grübelte Walli. Sie trat ans Fenster. Düsteres, graues Licht hing über der Stadt. Ein paar Schneeflocken segelten ziellos im Wind.
    Rita hat recht, dachte Walli verzweifelt. Sie hat mich als heulendes Elend dargestellt, und genau das bin ich. Sie hat exakt zusammengefasst, was mich ausmacht. Unentschlossenheit und Jammertiraden. Steter Rückzug, wenn irgendwas nicht klappt.
    Es stimmte ja, dass die Aufsässigkeit der Schüler für sie unerträglich gewesen war. Doch anstatt hart durchzugreifen, sich kompetente Unterstützung bei den Kollegen zu holen, war sie immer mehr in die Opferrolle gerutscht. Wenn sie es an der Schule noch einmal probierte … dann hätte sie wenigstens finanziell eine Zukunft. Wenn sie ehrlich war, war ihre Beziehung zu Horst genau zu der Zeit eingebrochen, als sie ihre Stelle aufgab und frustriert zu Hause hockte. Natürlich war ihr diese Parallele schon lange ins Auge gesprungen. Rita mochte ihr Mangel an Abstraktionsvermögen attestieren, aber das traf nur zu, wenn Walli sich hängen ließ. Sie straffte die Schultern.
    Sie würde ihr Leben ändern.
    Zuerst rief sie ihren ehemaligen Schulleiter an. Er hatte schon von Horsts Tod gehört. Voller Mitgefühl bot er ihr an, nach den Weihnachtsferien zu ihm ins Büro zu kommen, um über alles zu sprechen. Er würde sich gern für sie einsetzen.
    Erleichtert legte Walli auf. Das war ein Anfang. Sie wählte noch mal Susannes Nummer. Irgendwem musste sie von diesem ersten Teilerfolg berichten.
    »Ja?«, rief Susanne gehetzt in den Hörer.
    »Störe ich? Hier ist Walli.«
    »Hallo, Walli. Ja – nein.«
    Im Hintergrund hörte Walli Verkehrsgeräusche.
    »Ich wollte nur …«
    »Wie geht es dir?«, unterbrach Susanne laut. Das Brummen eines Motors drang durch die Leitung.
    »Ich wollte dich nicht auf der Arbeit stören.«
    »Kein Problem. Ich mache gerade Kaffeepause! Was gibt’s Neues?«
    »Ich habe eben meinen ehemaligen Chef angerufen. Vom Gymnasium. Ich bekomme vielleicht eine Chance.«
    »Toll.«
    Ein Motor heulte auf.
    »Bist du unterwegs?«, fragte Walli verwirrt.
    Ein lautes Scheppern war zu hören.
    »Nein. Super, das mit dem Chef. Du – ich muss Schluss machen!«
    Gerade, als neuerliches Scheppern in der Leitung erklang, unterbrach Susanne die Verbindung.
    Ratlos betrachtete Walli das Telefon in ihrer Hand. Susanne wurde immer seltsamer. Sie beide mochten nicht die besten Freundinnen sein, aber Susanne verstand es zumindest, Interesse vorzugeben, wenn sie anderen zuhörte. Susanne besaß eine natürliche Empathie. Allerdings stimmte auch, was Rita in ihren scheußlichen Texten geschrieben hatte: Wenn Susanne sich für jemanden einsetzen wollte, wurde man sie selbst mit Waffengewalt nicht mehr los.
    Walli lachte laut auf. Das Geräusch klang hohl in der leeren Wohnung. Schlagartig wurde sie sich wieder ihrer miserablen Situation bewusst. Ihre Schultern verspannten sich. Keinesfalls durfte sie sich jetzt runterziehen lassen. Sie musste noch ein paar Dinge erledigen.
    Walli schlüpfte in Jeans und einen Fleecepulli. Genug mit weiten Röcken und Wollstoffen. Auch ihr Haar gefiel ihr gar nicht mehr. Sie könnte zum Friseur gehen und sich eine

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