Stille Gefahr #2
gesehen? Die blöde Kette ist gerissen.«
Aah … Das erklärte seinen jammervollen Gesichtsausdruck. Remy lehnte sich zurück. »Nein, nicht dass ich wüsste, tut mir leid. Wie lange suchst du ihn denn schon?«
»Seit ein paar Tagen.«
Niedergeschlagen ließ der lange, hagere Junge sich in einen der Ledersessel plumpsen und starrte ins Leere.
»Erinnerst du dich, wann du die Kette zum letzten Mal gesehen hast?«
Brody atmete genervt aus. »Alter, woher soll ich das denn wissen? Wahrscheinlich irgendwann morgens nach dem Duschen. Dann war sie weg.« Er sah Remy an, wandte dann jedoch den Blick ab und schaute unruhig im Raum umher.
»Hast du deinen Dad gefragt?«
»Nee.«
Von einer Sekunde auf die andere machte Brody dicht. Er verschränkte die Arme vor seiner schmächtigen Brust und sprang auf. »Ich hau mal wieder ab. Du musst ja deine Anwaltskacke machen.«
»Brody …«
Der Junge blieb in der Tür stehen.
Remy seufzte. »Ich halt die Augen offen und hör mich ein bisschen um.« Das würde nicht viel bringen, aber er hatte das Gefühl, dass er etwas tun oder zumindest etwas sagen sollte. »Vielleicht taucht sie wieder auf.«
Brody nickte und verdrückte sich mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern.
Der arme Junge.
Remy wünschte, er hätte seinem Neffen helfen, ihm einen Rat geben können. Nur ließ dieser im Moment niemanden an sich heran. Sobald Remy ein bisschen mehr Zeit hatte, brauchten die beiden mal eine Aussprache. Doch jetzt musste er zu Nielson.
Da Hope Carson nicht länger ihre Verdächtige war, brauchte Remy ein Update.
Vielleicht würde er später bei Reilly vorbeifahren und nach ihr sehen …
Noch während ihm dieser Gedanke kam, versuchte er schon, ihn zu verdrängen, denn so durfte er nicht über Hope denken.
Ob sie nun für Reillys Verletzungen verantwortlich war oder nicht, die Frau hatte psychische Probleme.
In eine solche Angelegenheit verwickelt zu werden, konnte er sich weder erlauben noch wollte er es.
»Die nächste Angehörige des Opfers hat die Leiche heute identifiziert«, berichtete der Sheriff.
»Endlich.« Stirnrunzelnd rechnete Remy nach. Mehr als zwei Wochen waren vergangen, seit man die Frauenleiche auf Reillys Grundstück gefunden hatte. Viel zu viel Zeit. »Was hat die Frau so lange aufgehalten?«
»Es gab die eine oder andere Verzögerung«, antwortete Nielson verdrießlich. »Gehen Sie nicht zu hart mit ihr ins Gericht. Sie war im Ausland, und es hat ewig gedauert, bis ich ihren Namen von Jolene Hollisters Verlobten bekommen habe. Offenbar kennt er diese Cousine nicht besonders gut. Ich musste mich mit der ganzen Bürokratie rumschlagen, aber letztendlich konnte er sie noch vor mir erreichen. Sie hat mich erst vor ein paar Tagen angerufen. Und dann brauchte sie eine Weile, um wieder in die USA zu kommen.«
»Ist sie die einzige Verwandte?«
»Ja.« Nielson seufzte. »Und ihr Freund … tja, er scheint ein netter Kerl zu sein, aber er verkraftet es nicht besonders gut.«
»Wie gut kämen Sie damit klar, wenn Ihre Verlobte spurlos verschwinden und dann wenige Wochen vor der Hochzeit ermordet würde?«, gab Remy zurück.
Nielson zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich gar nicht.«
»Irgendwas Neues, abgesehen von der Cousine?«
»Rein gar nichts«, erwiderte Nielson kopfschüttelnd und wirkte mehr als unzufrieden.
»Im Grunde sind wir also wieder da, wo wir angefangen haben«, brummte Remy und überflog den Bericht.
Dann warf er ihn zurück auf den Schreibtisch des Sheriffs und betrachtete den Mann dahinter. Nielson hatte ein schmales, intelligentes Gesicht, das eher zu einem Wissenschaftler oder gar einem Pfarrer gepasst hätte. So mancher hatte den Sheriff schon unterschätzt. Mehr als einmal war Remy Zeuge davon geworden, wie die Leute eines Besseren belehrt wurden.
Der Mann besaß Scharfsinn, und er war hochanständig.
Im Augenblick schien er genauso frustriert und angepisst zu sein wie Remy.
»Wir haben keine Ahnung, wer Prather umgebracht hat und von wem Reilly zusammengeschlagen wurde – im Prinzip wissen wir gar nichts. Das ist der Stand der Dinge«, fasste Remy zusammen.
»So sieht’s aus.« Nielson zuckte mit den Schultern und fügte hinzu: »Ehrlich gesagt bin ich gar nicht sonderlich traurig darüber, dass wir Miss Carson laufen lassen mussten. Ich hatte von Anfang an meine Zweifel daran, dass sie Law angegriffen haben soll, da gab es zu viele offene Fragen. Sie hätte Prather nicht umbringen können, und zwei unterschiedliche
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