Stille mein Sehnen
war. Seit geraumer Zeit saß er in seinem Büro und versuchte, die Buchhaltung zu erledigen. Andauernd schweiften seine Gedanken ab.
Als er Samstagmorgen nach Hause gekommen war, scheiterte er kläglich an dem Versuch, sich bei einer langen Dusche zu entspannen. Eine unbekannte Gier verlangte nach Befriedigung. Auch in den Stunden danach wurde es nicht besser. Sobald er an das Erlebte dachte, bekam er eine Erektion. Seit gestern Morgen hatte er sich viermal selbst befriedigt. Das tat er sonst die ganze Woche nicht.
Janette! Andauernd durchkreuzte sie seine Gedanken. Auch jetzt rieb er über die Beule in seiner Hose. Nichts und niemand hätte ihn darauf vorbereiten können. Mit Worten waren die Gefühle nicht zu beschreiben, die durch einen hindurchjagten, war man der Gnade eines anderen ausgeliefert.
Jetzt konnte er Faith verstehen. Er schämte sich unsäglich für seine Vorwürfe und Verachtung ihr gegenüber. Es war nicht so, dass er alle ihre Entscheidungen nachvollziehen und gutheißen konnte. Ihm war hingegen klar geworden, dass sie ihn nie belogen hatte, was ihre Gefühle für ihn betraf. Nach wie vor liebte er sie. Das konnte er nach all den Jahren nicht abstellen. Doch das Gefühl veränderte sich, war nicht mehr schmerzhaft, sondern eine sanfte Wärme.
Ein Klingeln riss ihn aus seinen Gedanken. Der irrwitzige Wunsch, es könnte Janette sein, ließ ihn zur Tür rennen und sie aufreißen. Überrascht trat er einen Schritt zurück.
„Was willst du hier?“ Sein Ton war abweisend und schroff.
„Deinen Rat als Arzt. Ich habe dir so viel Zeit gelassen, wie ich konnte, aber ich muss dringend mit dir reden.“
Bei Lucas Anblick stieg die alte Wut in ihm auf. „Meinen Rat als Arzt?“
„Ich habe eine Schwester, Grace. Es geht ihr nicht gut, und ich möchte dich um Hilfe bitten.“
„Komm morgen mit ihr in die Praxis.“
„Das geht nicht. Sie ist im St. Vincent’s Hospital. Grace leidet unter traumatischer Schizophrenie.“
Aufmerksam betrachtete er Luca, sah die tiefe Traurigkeit in dessen Augen. Jedes Wort klang nach Verzweiflung. Bill schien seine letzte Hoffnung zu sein, und es musste Luca enorme Kraft kosten, ausgerechnet ihn um Hilfe zu bitten.
„Das St. Vincent’s ist ein Pflegeheim, keine Psychiatrie!“
„Das weiß ich! Deshalb will ich mit dir sprechen.“
„Ich bin kein Psychiater!“
Bill sah, wie Luca unaufhörlich die Hände zu Fäusten schloss und öffnete. Nur mühsam konnte er die Emotionen beherrschen. Überraschenderweise war seine Stimme nach wie vor ruhig und leise.
„Kennst du einen guten Psychiater, der meiner Schwester helfen kann?“
So viel Liebe und Verzweiflung schwangen in diesen Worten mit, dass Bill gewillt war, seine Abneigung gegen diesen Mann zu unterdrücken. War die Krankheit der Schwester die Ursache für dessen aggressive Ausstrahlung? Bill kannte ihn seit mehr als einem Jahr, und anfangs war er ihm zwar verschlossen, jedoch nicht brutal erschienen. Er trat zur Seite und bat ihn herein.
In der Bibliothek goss Bill Whisky in zwei Gläser und bat Luca, Platz zu nehmen. Eine Weile saßen sich die beiden ungleichen Männer schweigend gegenüber und musterten sich.
„Wie geht es dir?“, fragte Luca schließlich, nicht ohne Sorge. Er konnte sich nicht im Entferntesten vorstellen, wie sich ein Mann fühlen musste, der herausfand, dass er masochistisch veranlagt war.
„Es geht mir gut. Wider Erwarten!“, fügte Bill nach einer kurzen Pause hinzu. „Wegen mir bist du nicht hier. Also, erzähl mir alles über Grace.“
Luca holte tief Luft und ließ die Flüssigkeit in seinem Glas kreisen.
„Vor zwei Jahren hat Grace ihren Mann und ihre beiden Kinder durch einen Autounfall verloren. Nach der anfänglichen Trauer sah es aus, als würde sie darüber hinwegkommen. Irgendwann begann sie, sich in eine Traumwelt zu flüchten. Ich habe sie zu mir genommen, doch es wurde von Monat zu Monat schlimmer, ihre wachen Momente zunehmend seltener. Vor einem halben Jahr musste ich sie ins St. Vincent’s Hospital bringen. Sie braucht eine 24-Stunden-Betreuung.“
„Wieso ins St. Vincent’s? Sie hätte in eine psychiatrische Klinik gemusst.“
Lucas Finger begannen bedrohlich zu zittern. Er stellte das Glas ab, damit er es nicht fallen ließ.
„Ich hatte Angst, dass man sie wegsperrt und ich sie nicht besuchen darf.“ Mühsam unterdrückte er die Beklemmung, die dieser Gedanke in ihm erzeugte.
„Warum jetzt?“
„Sie schlägt um sich, zerkratzt sich die
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