Stille mein Sehnen
seines Verstandes fand er einen Rest Selbstbeherrschung und kramte diesen hervor. Der Blick des Professors fraß sich in seine Eingeweide. Faith war bei ihm in Behandlung. Cunningham durfte nicht sehen, welche Dämonen in ihm schlummerten.
„Ich muss die Beruhigungsmittel gänzlich absetzen. Sie zeigt starke Abhängigkeitssymptome. Die Fixierung ist zu ihrer eigenen Sicherheit.“
Luca brachte keinen Ton heraus. Das Bild seiner gefesselten Schwester brannte sich ihm ins Hirn.
„Mr. Jones, ich weiß, was ich tue. Graces Welt ist nicht uneinnehmbar. Sie müssen mir die Chance geben, an sie heranzukommen.“
Er nickte, war jedoch unfähig, ein Ja über die Lippen zu bringen.
„Und wie geht es weiter?“
„Ich werde täglich mit Grace arbeiten, mit ihr reden, ihr vor Augen führen, was ihr Tun für Konsequenzen mit sich bringt.“
„Konsequenzen?“
„Grace zerstört nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch das Ihre.“
„Wie bitte? Das ist Unsinn! Grace hat mein Leben bereichert.“
„Sie hatten schon immer so viel Wut in sich?“
Luca öffnete den Mund, um zu protestieren, unterdrückte die Worte jedoch. Er musste schleunigst verschwinden. Dieser Mann war gefährlich.
„Welche Papiere muss ich unterschreiben?“
Cunningham stand auf, ging zu seinem Schreibtisch und kam mit einem Formular zurück. Luca überflog den Text. Den Inhalt konnte er kaum erfassen. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Sollte der Professor erkennen, welches Chaos in ihm herrschte, würde er Faith mit Sicherheit raten, sich von ihm zu trennen. Sie zu verlieren, würde er nicht überleben. Ein weiterer Verlust überstiege seine Kräfte. Er setzte die Unterschrift auf das Papier und reichte es dem Professor.
„Noch eine Frage, Mr. Jones: Warum verweigern Sie Faith das Ausleben ihrer Neigungen?“
Luca krallte die Hände um die Sessellehnen. „Ich verweigere ihr nichts“, presste er zwischen den Lippen hervor.
„Hatten Sie mittlerweile eine Session?“
„Sie scheinen nicht viel von Schweigepflicht zu halten?“
Cunningham lächelte verschmitzt. Luca war kurz davor, die Beherrschung zu verlieren. Er hoffte inständig, dass seine Miene eine versteinerte Maske war.
„Faith ist nicht meine Patientin! Ich bot ihr meine Hilfe als Freund – sie nahm diese dankbar an.“
„Ist Faith das bewusst?“
„Ich glaube nicht.“ Der Professor grinste breit und schien mit sich zufrieden.
„Was versprechen Sie sich davon?“
„Faith ist krank, Mr. Jones. Ihre Wahrnehmung und Gefühlswelt ist stark verzerrt. Mir war von der ersten Sekunde an klar, dass ich, will ich ihr helfen, die Sicht aller Beteiligten brauche. Ich sprach ebenfalls mit Bill Pullman.“
„Worauf läuft dieses Gespräch hinaus, Professor? Hat Bill Ihnen gesagt, dass ich nicht gut genug für Faith bin? Wollen Sie mir nahelegen, mich von ihr zu trennen?“
„So weit würde ich nicht gehen. Ich hinterfrage Beweggründe, öffne den Leuten die Augen und lasse sie selbst Entscheidungen treffen. Glauben Sie, dass Sie gut für Faith sind?“
Ihm brach kalter Schweiß aus. Fassungslos starrte er den Professor an, sah jedoch nur den schwarzen Abgrund vor sich.
„Faith ist das Beste, was mir im Leben widerfahren ist. Ich liebe sie von ganzem Herzen.“
Cunningham sah ihn mit diesen Falkenaugen an und schwieg. Luca dachte an all die Augenblicke, die er mit Faith verbringen durfte, an ihr Lächeln, ihre Ängste, die vielen Tränen, die sie in seinen Armen vergossen hatte, an ihre Hingabe, die Erfüllung, die sie ihm schenkte. Er spürte all die Liebe in seinem Herzen und wurde ganz ruhig.
„Ja, ich glaube, ich bin gut für sie. Ich liebe sie vorbehaltlos, ohne eine Gegenleistung von ihr zu verlangen. Ich will nicht, dass sie leidet, dass sie denkt, sie wäre mir etwas schuldig. Deshalb bedrängte ich sie nie, sich mir hinzugeben. Dass ich sie bis jetzt nicht dominiert habe, war zu ihrem Schutz. Die Sache mit Grace hat mich aus der Bahn geworfen. Ich würde es mir nicht verzeihen, sie in irgendeiner Weise zu verletzen.“
Cunningham lächelte und schwieg.
Luca konnte nicht verhindern, dass sich seine Mundwinkel nach oben zogen.
„Sie haben eine bemerkenswerte Vorgehensweise, Professor. In Ihrer Obhut befinden sich die beiden wichtigsten Frauen meines Lebens. Ich werde Ihnen also vertrauen müssen.“
„Es geht bei allem um Vertrauen, Mr. Jones. Faith vertraut Ihnen, dass Sie gut auf sie achten. Sie gewinnen durch diese Liebe neues Vertrauen in
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