Stille meine Sehnsucht, Geliebter!
aufgereiht in den vielen Regalen. So reizvoll wie prall gefüllte Bonbongläser in einem Süßigkeitenladen. „Kinder- und Abenteuerbücher, Märchen – einfach alles. Ich hatte bis dahin noch nie ein eigenes Buch besessen. Und dieses Paar liebte Bücher. Er war Lehrer, und sie arbeitete als Floristin. Das ganze Haus war voller Blumen und Bücher. Und sie hatten mich ausgewählt. Du kannst dir nicht vorstellen, wie glücklich ich war.“
„Und bist du dann zu ihnen gezogen?“
Laurel löste sich aus seiner Umarmung und drehte sich auf den Rücken. „Nein. Die erste Nacht, in der ich bei ihnen schlafen sollte, war ich so aufgeregt und nervös, dass ich kaum atmen konnte. Ich bekam einen Asthmaanfall. Wir verbrachten die ganze Nacht in der Notaufnahme. Und danach …“, Laurel stockte kurz, „… beschlossen sie, lieber kinderlos zu bleiben, als sich mit mir eine solche Last aufzuhalsen. Nächtliche Besuche im Krankenhaus, Angst und Sorge um ein krankes Kind – all das passte nicht in ihren Traum von einer glücklichen Familie. Was eine Schande war, denn ich hatte mich bereits in ‚mein‘ Zimmer verliebt. Nicht in das ganze Rosa und die Mädchenspielsachen. Sondern in die Bücher. Ich hatte mir schon ausgemalt, wie ich mich zum ersten Mal im Leben in mein eigenes kleines Reich zurückziehen kann, um zu lesen. Ich wollte so tun, als sei ich die Leiterin einer Bibliothek, die jedes Buch in- und auswendig kennt.“ Laurel wollte nicht selbstmitleidig klingen, und so fügte sie mit gespielter Ironie hinzu: „Jetzt weißt du also, warum ich so verkorkst bin – ich hatte keine Bücher.“ Und keine Familie. Aber das sagte sie nicht. „Vielleicht wäre ich emotional ausgeglichener, wenn ich in meiner Kindheit mehr Märchen gelesen hätte.“
Cristiano stützte seinen Kopf auf dem angewinkelten Arm ab und betrachtete einen Moment lang schweigend ihr Profil. „Du willst mir also sagen, dass sie ihren Adoptionsantrag von einem Tag auf den anderen zurückgezogen haben?“
„Das kann passieren. Deswegen gibt es immer eine Probezeit. Damit sich die möglichen Adoptiveltern ihrer Entscheidung ganz sicher sind. Und diese waren es offensichtlich nicht. Nur hatten sie unvorsichtigerweise schon falsche Hoffnungen in mir geweckt. Sie nannten mich ‚ihr kleines Mädchen‘. Und ich habe ihnen geglaubt. Was natürlich dumm von mir war. Weil ich bereits wusste, dass Erwachsene meistens nicht wirklich meinen, was sie sagen.“
„Und was ist danach passiert?“
„Ich verhielt mich so, dass ich praktisch unadoptierbar wurde. Es war besser so für alle.“
„Wie alt warst du damals?“
„Acht. Aber ich hatte meine ganze Kindheit in diversen Heimen und Pflegefamilien verbracht. Ich war also nicht das, was man sich unter einem normalen achtjährigen Mädchen vorstellt.“ Cristiano zog Laurel in seine Arme und drückte sie fest an sich.
„Warum hast du mir das alles nicht schon vorher erzählt?“
„Ich habe versucht, nicht mehr daran zu denken. Es gehörte der Vergangenheit an und hatte keine Bedeutung mehr.“ Noch während sie die Worte aussprach, realisierte sie, dass dem nicht so war.
Und auch Cristiano ließ sich nicht täuschen. „Wir wissen beide, dass es nicht bedeutungslos ist. Es hat dein Denken und Verhalten von Grund auf beeinflusst. Ich kann jetzt verstehen, warum du dich so schwer damit tust, anderen zu vertrauen. Und auch, warum du damals einfach weggelaufen bist. Aber was auch immer vorgefallen ist – zusammen können wir unsere Liebe retten.“
Laurel schmiegte sich eng an ihn und atmete seinen Duft ein. Sie hätte am liebsten einfach die Augen geschlossen und daran geglaubt, dass es wirklich so einfach war. „Ich weiß nicht, ob ich das kann“, sagte sie leise.
Cristiano drehte sie sanft auf den Rücken, sodass er sich auf sie legen konnte. „Ich liebe dich. Ich habe Fehler gemacht – aber du wirst mir verzeihen. Du zögerst nur, weil du Angst hast, verletzt zu werden, und nicht, weil du mich nicht liebst.“
„Das stimmt“, brachte sie mühsam hervor.
„Du bist die stärkste Frau, die ich kenne. Und ich kann immer noch nicht glauben, wie du das alles allein durchgestanden hast. Du kannst dir nicht vorstellen, wie gerne ich die Zeit zurückdrehen würde. An jenem verhängnisvollen Tag vor zwei Jahren – da habe ich dir nicht richtig zugehört. Weil ich mit den Gedanken halb bei der Arbeit war. Ich weiß, es ist keine Entschuldigung – aber ich hatte sehr lange auf jenen Deal
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