Stille Seele (German Edition)
verließ leise fluchend die Küche.
„Ich denke, du hast Hunger?“ Ihre Beharrlichkeit in Sprache und Erziehung brachte ihn auf die Palme.
„Jetzt nicht mehr!“ Er knallte die Tür zu und hörte trotzdem, wie seine Mom ihm hinterherrief. „Nur, weil du dir selbst etwas warm machen solltest? Also echt, Jakob!“
Ohne darauf zu reagieren, setzte Jakob sich seine Kopfhörer auf und drehte die Lautstärke seines iPods hoch. Bald würde er hier weg sein. Ab dann würde alles besser werden. Sie würden einen Grund haben, stolz auf ihn zu sein, ihn endlich wie einen Erwachsenen zu behandeln, und er hatte gleichzeitig die Möglichkeit, diesem unerträglich durchschnittlichen Leben zu entkommen. Ein zufriedenes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. Erfolgreich verdrängte er alle Zweifel und konzentrierte sich auf die durchweg positiven Schilderungen von Sergeant Coblin.
18. März 2003, Georgia, USA
Jakob und seine Kameraden waren monatelang auf diesen Tag vorbereitet worden und dennoch fühlte Jakob sich überrumpelt – noch nicht bereit und überfordert mit der Situation, als sie über das Rollfeld zu der C-17 Globemaster III hinübergingen. Er stellte seine Tasche und seine Ausrüstung vor sich und beobachtete die anderen aus seiner Einheit. Einige von ihnen machten angestrengt Witze, wieder andere starrten ins Leere und waren mit ihren Gedanken noch immer bei ihren Familien. Jakob gehörte zu der kleinsten Gruppe der stillen Beobachter. Wohl auch, weil er den Gedanken an seine Familie vermeiden wollte. Paul war bereits auf dem College und zur Verabschiedung gar nicht nach Hause gekommen. Jakob wusste, dass er sauer auf ihn war. Er hielt ihn schlichtweg für völlig durchgeknallt und sah den Einsatz der Army im Ausland als Verschwendung von Staatsgeldern an. Sarah, seine jüngere Halbschwester, hatte bockig die Unterlippe vorgeschoben und wütend durch ihn hindurch gestarrt. Jakob war sich sicher, dass sie ihn gar nicht verabschiedet hätte, wenn ihr Dad sie nicht dazu gezwungen hätte. Seine Mutter hatte stumme Tränen geweint und ihm anstatt ihrer sonst so wortreichen Belehrungen nur einen Kuss mit auf den Weg gegeben, bevor sie laut schluchzend im Haus verschwunden war. Sein Dad hatte ihn zum Bahnhof begleitet und eine Weile stumm im Auto gesessen, als würde er auf etwas Bestimmtes warten. Dann hatte er Jakob schließlich eindringlich gemustert.
„Noch kannst du es dir anders überlegen! Du hast alle Möglichke iten der Welt, wenn du das nicht durchziehen willst! Deine Mutter und ich würden dir helfen!“
Jakob hatte nur stumm den Kopf geschüttelt und die folgende U marmung über sich ergehen lassen, bevor er seine Tasche genommen hatte und gegangen war. Er hatte sie nicht angerufen, um ihnen mitzuteilen, dass die Familien Zeit bekamen, sich zu verabschieden, bevor sie nach Afghanistan ausgeflogen würden. Noch so eine Verabschiedung würde es nicht geben, das hatte er sich geschworen. Connor, sein Partner im Buddy-Programm seit Fort Benning, stellte sich neben ihn und stieß ihn sanft an. Ein Grinsen lag auf seinem jugendlichen Gesicht. „Alter, das nenne ich mal Dekadenz mit Flügeln!“
Jakob blickte ihn verständnislos an und zog fragend eine Auge nbraue nach oben.
Immer noch grinsend deutete Connor auf die riesige Transportm aschine und steckte sich eine Zigarette an, bevor er in Jakobs Schweigen einstimmte.
„Wir müssen los!“ Achtlos warf Connor wenige Minuten später den Rest seiner Zigarette auf den Boden und schulterte seine Tasche, als mit einer Sekunde Verzögerung der Befehl zum Einsteigen an Jakobs Ohren drang. Jakob seufzte, packte seine Ausrüstung und folgte Co nnor ins Flugzeug.
Der Innenraum der Maschine war nach militärischen Maßstäben gebaut worden, nicht um den Insassen Komfort zu bieten. Jakobs Taschen und seine Ausrüstung waren über seinem Kopf verstaut. Er selbst saß längs der Wand, neben ihm Connor und gegenüber Cabel, ein ruhiger Junge, der mit geschlossenen Augen dasaß, aber entspannt wirkte. Jakob wandte den Blick ab und starrte auf seine Hände, die leer in seinem Schoß lagen. Er wünschte sich, er hätte eine Aufgabe für sie gehabt.
Er seufzte und setzte sich etwas zurecht. Sein Blick wanderte über die übrigen Männer bis in den vorderen Teil des Flugzeugs, wo ihre Waffen verstaut waren. Eine immer präsente Erinnerung daran, dass dieser Einsatz ernst war. Keine Übung, wo man im Zweifelsfall eine zweite Chance bekam. Er
Weitere Kostenlose Bücher