Stille Seele (German Edition)
Augenverdrehen den Football zu Clover hinüber, einem gerade von der Militärschule hierher versetzten Jungen, dem der rote Haarschopf in das viel zu blasse Gesicht hing. Er war gerade einmal achtzehn und damit noch fast ein Jahr jünger als Jakob und Connor, was nicht hieß, dass er mit weniger Ernsthaftigkeit dabei war. Während sie vor drei Abenden eine schwarz gebrannte DVD angeschaut hatten, hatte Jakob mitbekommen, dass Clover se inem Vater nacheiferte, der irgendein hohes Tier beim Militär war. Jakob hatte abgeschaltet und sich gefragt, wie man sich freiwillig und in vollem Bewusstsein der Tatsachen für einen solchen Beruf begeistern konnte.
In den zwei Monaten, die er jetzt hier war, hatte die Realität jede Einzelheit des von Coblin gezeichneten Bildes widerlegt. Einiges war besser, vieles schlechter und mit Sicherheit anders, als Jakob es sich vorher ausgemalt und erwartet hatte. Keiner seiner naiven Gründe hierher zu kommen hatte der Realität standgehalten. Es waren keine Heldentaten, kein Patriotismus und keine sichtbaren Erfolge, die den Alltag in dieser staubigen Einöde prägten, sondern die Monotonie eines aussichtslosen Jobs, den Jakob trotzdem versuchte so gut es eben ging zu erfüllen. Dabei bemühte er sich, nicht der ständigen Anspannung die Oberhand zu gewähren.
Es war mehr Krieg als Friedensmission, wie es immer in ihrer Heimat propagiert wurde. Aber Jakob versuchte, die Befehle entgegenzunehmen, ohne sie zu hinterfragen. Die Stimme in seinem Kopf hatte längst begonnen, dagegen zu protestieren, aber er ignorierte sie und versuchte, sich an den positiven Dingen festzuhalten. An Connor, den anderen Kumpels, der relativ unbeschwerten Zeit, wenn sie außer Dienst waren.
Connors Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Das Spiel lief we iter und die Körper der Soldaten wirbelten Sand auf, als sie lachend und ineinander verkeilt zu Boden fielen. Jakob wandte ihnen den Rücken zu, um Connor besser ansehen zu können, und schob sich seine Sonnenbrille dichter auf die Nase.
„Was gibt es?“
In einiger Entfernung hob ein Kampfhubschrauber ab und brachte Connor dazu, sich reflexartig zu ducken.
„Post für dich! Mallory hat mich gefragt, ob ich ihn dir geben kön nte!“ Er grinste breit. „Scheint von deiner Schwester zu sein. Du stellst sie mir doch mal vor, wenn es sich ergibt!“
Jakob schnappte sich den Brief und schüttelte amüsiert den Kopf. „Eher sterbe ich!“ Er wedelte ein wenig mit dem Brief hin und her. „Sie ist zu gut für dich!“
„Sehr nett!“
Ein breites Lächeln überflog Jakobs Gesicht. „Keiner hier wäre gut genug für sie! Mach dir nichts draus!“ Er klopfte Connor freun dschaftlich auf die Schulter. „Übernimmst du meinen Platz?“ Er musterte die zierliche Handschrift seiner Schwester auf dem Umschlag und verstaute den Brief in seiner Hosentasche. „Werde ihn gleich lesen!“
„Bin doch nicht lebensmüde!“ Connor schüttelte den Kopf und ve rzog das Gesicht. „Als würde ich Football spielen! Ach ja, und Tyrel hat gesagt, wir fahren um Punkt Einhundert los. Wir sollen rechtzeitig schlafen gehen. Er braucht uns fit und ausgeruht heute Nacht!“
„Ich weiß, er hat es mir schon mitgeteilt!“ Jakob verzog das Gesicht zu einer schiefen Grimasse. Er brauchte nicht zu sagen, dass er Pr obleme hatte, genau diese Anweisung zu befolgen. Die blassgrauen Ringe unter seinen Augen zeigten nur allzu deutlich, dass er unter Schlafstörungen litt, seitdem er mit den Zuständen hier vor Ort konfrontiert war. „Weißt du, wo es heute hingeht?“
Connor zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Wohin auch immer! Ist doch egal!“
Jakob fühlte sich elend. Er wusste, dass er schlafen sollte. Dass er schlafen musste, aber der ständige Lärm hielt ihn wach. Seit Wochen schon hatte er keine zwei Stunden ohne Unterbrechung geschlafen. Der Geräuschpegel ähnelte selbst jetzt mitten in der Nacht dem am Tage. Jakob warf einen neidvollen Blick auf Connor, dem das alles nichts auszumachen schien. Sein Körper lag entspannt auf dem schmalen Bett. Sein Brustkorb hob und senkte sich unter regelmäß igen, tiefen Atemzügen. Diese Entspanntheit und der friedliche Schlaf seines Freundes hatten fast schon etwas Provozierendes. Noch drei Stunden, bis sie auf Patrouille gehen würden, und Jakob hatte noch immer kein Auge zugemacht. Er hasste diese Nachteinsätze, noch mehr als die Patrouillen am Tag. Stöhnend drehte er sich auf seinem Bett um, stieß einige halblaute
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