Stille Seele (German Edition)
kleine Gruppe richten – Angst. Es war praktisch unmöglich einzuschätzen, wer dazu in der Lage war, eine Waffe zu bedienen und wer vor allem die nötige Motivation dazu hatte. Es gab keine Regeln, die hier eine bestimmte Gruppe wie Frauen oder Kinder ausgeschlossen hätte, und die sprachlichen Barrieren machten es nicht gerade leichter, die Lage einzuschätzen.
Hinter sich hörte Jakob Geschirr zerbersten und spürte, wie ze rsprungenes Porzellan seine Uniform traf.
„Fetch, sag ihnen, ich will die Unterlagen!“ Jakob drehte sich halb zu Ben Tyrel und Fetcher Clark um, der in gebrochenem Dari auf einen der Männer am Boden einredete.
Clark stand achselzuckend auf.
„Er sagt, er weiß nicht, wovon du sprichst. Er hat keine Informati onen und er hat auch keinerlei Kontakte zu den Taliban!“
Tyrel legte die Nase in angewiderte Falten und starrte auf den Mann am Boden. „Sie haben nie eine Ahnung, wovon wir reden und sind immer unser Freund, wenn sie unsere Waffen am Schädel haben!“ Er grunzte kurz auf. „Sag ihm, ich will die Informationen!“
Wieder sprach Clark auf den Mann ein, aber sein Blick machte deutlich, dass er wenig erfolgreich war.
Tyrel fluchte lauthals. „Sag ihm, er soll reden, verdammt nochmal!“ Sein Blick wirkte kalt wie Eis, als er sich zu dem Mann nach unten beugte und ihm seine Beretta an die Schläfe drückte. „Rede, oder ich schwöre bei Gott, ich puste dir deinen verdammten Schädel weg!“ Mit einem Klicken entsicherte er die Pistole und brachte damit Bewegung in die kleine Gruppe vor Jakob.
Eine der Frauen, Jakob nahm an, dass es sich um die Ehefrau handelte, kroch zitternd und weinend über den Boden zu ihrem Mann hinüber.
„Bleib sitzen, Scheiße, bleib wo du bist!“ Jakob machte eine ei ndeutige Bewegung mit seiner Waffe, aber die Frau beachtete ihn nicht. Ihr Blick war starr auf ihren Mann gerichtet, der um sein Leben bettelte.
Mit einem panischen Ausdruck auf dem Gesicht stammelte er: „Ich – Taliban!“ und schüttelte dann übertrieben mit dem Kopf. Tränen liefen ihm aus den Augenwinkeln. Seine Körperposition ähnelte der eines untergebenen Tieres.
Die Schreie und das Wimmern der Kinder und Frauen dröhnten in Jakobs Schädel. Er wusste nicht, was er tun sollte. Ein Blick in Clovers blasses, kindliches Gesicht zeigte Jakob, dass er ebenfalls mit der Situation überfordert war. Noch immer arbeitete sich die Frau langsam zu ihrem Mann vor.
„Atwood, Clover, bringt sie zum Schweigen!“ Tyrels Stimme klang unbarmherzig und duldete keinen Widerspruch.
Noch einmal drehte Jakob sich verzweifelt um. Clover starrte ihn panisch an. Mit einem gezielten Fußtritt und ohne die Waffe von der Gruppe zu nehmen, beförderte Jakob die Frau zurück in die Ecke. Er schloss die Augen, als er das knirschende Brechen eines Knochens unter seinem Stiefel hörte und der erstickte Schmerzlaut zu ihm durchdrang. Ihm war übel und er spürte, wie Panik in ihm aufstieg. Was taten sie hier eigentlich? Das alles hatte nichts mit ihrem Plan zu tun, nichts mit normalem menschlichem Verhalten und am wenigsten mit dem Auftrag, den Frieden zu bringen. Sie traten die Würde dieser Menschen sprichwörtlich mit den Füßen. Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und konzentrierte sich darauf, seinen Job zu erledigen, nicht nachzudenken und diese Situation so weit von sich wegzuschieben, wie es nur möglich war.
Tyrel war aufgestanden und sah sich in dem Zimmer um. Fast zär tlich fuhr er über die Kommode neben sich, bevor seine Hände ein antikes Teeservice hinunter fegten. Seine scheinbare Ruhe hatte sich in ungezügelte Wut verwandelt. Nichts erinnerte Jakob in diesem Moment an den jungen Mann, mit dem er seit über vier Monaten die Einheit, das Zelt und damit einen großen Teil seiner Privatsphäre teilte.
Er brüllte, beugte sich zu dem Mann hinunter und schrie ihm ins Ohr. „Wenn du kein beschissener Taliban bist, woher habe ich dann die Information, dass du weißt, wo sie Waffen verstecken? Willst du mir sagen, dass unsere Leute lügen?“ Er gab Fletcher einen Wink zu übersetzen. Dann brüllte er weiter. Einzelne Speichelfetzen blieben in den Haaren des Mannes hängen. „Wenn du kein Taliban bist, wird es dich ja nicht stören, wenn ich dir deinen beschissenen Bart abnehme. Nur damit du uns zeigst, wie sehr du auf unserer Seite stehst!“
Mit kurzer Verzögerung drangen die Worte in seiner Muttersprache zu dem Mann durch, der sich wimmernd zusammenkrümmte und leise
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