Stille Seele (German Edition)
Körper im Stich ließ. Stoßweise pumpte er den Atem durch seine Lungen, verlagerte sein Gewicht vollständig auf die linke Körperhälfte und zog das verletzte Bein mit verbissener Entschlossenheit hinter sich her. Er erreichte den Nebel, dann den Hauseingang und gelangte mit letzter Kraft in den Hausflur. Stöhnend ließ er sich auf den Boden fallen, kämpfte die Übelkeit hinunter, die ihm in Wellen durch den Körper schoss, und wartete auf Connor.
„Ich bin drin, komm, Connor!“ Er brüllte. „Jetzt mach schon, ve rdammt noch mal!“
Das trockene, metallische Stakkato einer AK47 war zu hören. Ein ige Geschosse schlugen in die Tür und das umliegende Mauerwerk ein. Es roch nach verkohltem Holz und Splitter fielen auf den Boden des Hausflurs. Mit zitternden Fingern fuhr Jakob über den Untergrund und legte einen Teil der verstaubten, aufwendig gearbeiteten Fliesen frei. Sie mussten früher einmal wunderschön gewesen sein. Jetzt waren einige von ihnen zersprungen, Blut tropfte aus Jakobs Wunden darauf und hinterließ einen schmierigen Film.
„Connor!“ Er äugte um die Ecke und zog schnell den Kopf zurück, als Connor taumelnd neben ihm im Hausflur ankam. Jakob schloss dankbar die Augen, versperrte die Tür und atmete erleichtert aus. Sie hatten es bis hierher geschafft. Jetzt mussten sie nur noch durchhalten, bis man sie anhand ihrer GPS-Peiler orten und holen würde. „Siehst du, Connor, wir haben es geschafft. Ich habe es dir gesagt. Wir haben es geschafft!“
Adrenalin pulsierte durch Jakobs Adern und ließ ihn erleichtert auflachen. Als er keine Antwort erhielt, öffnete er seine Augen und kroch langsam zu Connor hinüber. Er war nicht bereit, seinen Augen zu trauen und das Bild von Connor, der an der gegenüberliegenden Wand zu Boden gerutscht war, zu akzeptieren. Blut sickerte stoßweise aus einer tiefen Wunde an seinem Hals. Ein Teil des Unterkiefers hing lose herab und mehrere kleine Knochensplitter steckten in dem umgebenden Gewebe.
„Connor! Scheiße!“ Für einen kurzen Moment tanzten schwarze Punkte vor Jakobs Augen, bevor sich flimmernd Farben dazu misc hten und sich der Hausflur wieder zu einem scharfen Bild formte. Er spürte, wie Tränen sein Gesicht hinabliefen und wie eine weitere Detonation die Wände erbeben ließ. Loser Mörtel rieselte zu Boden und hinterließ einen abgestandenen, moderigen Geruch. Jakob betätigte den Funk, aber wie zuvor war nur ein gleichförmiges Rauschen zu hören. Er fluchte und schrie wider besseres Wissen hinein. „Ich brauche hier Hilfe! Verdammt noch mal! Kann mich jemand hören? Irgendjemand muss uns helfen!“ Etwas leiser murmelte er: „Verdammt, bitte! Jetzt kommt schon!“ Keine Antwort, nur provozierendes Rauschen. Jakob riss sich den Funk vom Kopf und schlug wütend gegen das Holz des Treppengeländers. Splitter bohrten sich durch die obersten Hautschichten. Er ignorierte es und verschwendete einen wütenden Gedanken an Weber, der es bis jetzt nicht geschafft hatte, das Funkproblem zu beheben. Ein röchelndes Geräusch ließ ihn wieder zu Connor herüberblicken und er spürte, wie ihm die Magensäfte die Speiseröhre empor stiegen.
Ein erstickter Laut, kaum mehr als ein Krächzen, verließ Connors Mund. „Hilf mir, bitte, ich sterbe, Jay! Da war so ein Metallstück. Ich habe es raus gezogen. Ich hätte es drinnen lassen müssen! Das haben sie uns immer wieder gesagt! Und ich Idiot …“
„Shht, nicht reden!“
Tränen bahnten sich stumm ihren Weg über Connors Gesicht. Le ise, resigniert wiederholte er sich. „Ich sterbe!“ Sein Fuß stampfte in einem letzten Versuch, die Realität zu leugnen, trotzig auf dem Boden auf und fiel dann kraftlos gegen die Wand.
„Du stirbst nicht, hörst du? Hörst du mich, Connor. Sieh mich an, verdammt.“ Jakob drehte vorsichtig Connors Kopf in seine Richtung, aber dessen Blick irrte ziellos umher. „Halt die Augen auf und sieh mich an! Ich lasse das nicht zu. Du wirst hier nicht sterben. Sie ko mmen uns holen. Sie sind bestimmt gleich da!“ Kalt spürte Jakob die Lüge in seinen Worten und die bittere Gewissheit, dass ihn dieser Tag sein Leben lang verfolgen würde. In einem verzweifelten Versuch, etwas zu unternehmen, rutschte Jakob ganz dich an Connor heran und tastete mit seiner rechten Hand zitternd nach dessen Wunde.
Connor stöhnte auf und Jakob zuckte kurz zurück.
„Was soll das!“ Obwohl Connor bereits blass und kraftlos wirkte, klang seine Stimme ärgerlich bestimmt und er runzelte
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