Stille Seele (German Edition)
ptisch an. „Ich sage ja nur, es wäre eine Möglichkeit, wenn das mit dem Studium nicht klappt!“
„Du hast dich beworben, oder nicht?“
Jakob nickte mit einem schuldbewussten Gedanken an die Vielzahl an unausgefüllten Bewerbungsunterlagen, die, zusammen mit zwei Ausgaben des Playboys, in einem Schuhkarton unter seinem Bett lagen.
„Hör zu, das da ist keine Möglichkeit, sondern ein verdammtes T icket in die Hölle. Du bist noch gar nicht ganz da, und schon schicken sie dich rüber nach Afghanistan. Du hast genug Grips, um zu studieren, und wenn du nicht ständig mit irgendwelchen Mädchen herummachen würdest und zu verbohrt wärst, um deinen Kopf auch zu nutzen, würdest du mir recht geben.“
Ungeduldig machte Jakob sich von ihm los und ging näher an den Werbungsstand heran. Dabei drehte er unablässig die Karte in seinen Händen, die Coblin ihm vorher zugesteckt hatte.
„Muss man Sie immer mit Sir ansprechen?“
Coblin schüttelte lächelnd den Kopf. „Nein, man kann auch Se rgeant, Staff Sergeant oder einfach Sarge zu mir sagen. Damals in meiner Einheit und jetzt mit einem ranggleichen Sergeant wie Peters hier neben mir, sprechen wir uns auch häufig mit dem Nachnamen an.“
Kate aus ihrem Jahrgang warf ein: „Wieso mit dem Nachnamen?“
„Das hat ganz profane Gründe. Es ist einfacher. Du vergisst ihn nicht, weil er immer auf der Uniform steht. Das ist sehr praktisch, weil immer neue Männer eintreffen, die Frequenz, mit der die Kameraden wechseln, sehr hoch ist und die Anzahl der Kameraden noch höher.“
„Ist das nicht super unpersönlich?“
Coblin klatschte in die Hände und lachte kurz auf. Dann schien er zu überlegen, wie er seine Antwort formulieren sollte. „Ich glaube, persönlicher als eine gemeinsame Dusche, eine gemeinsame Toilette und eine gemeinsame Unterbringung, sowie vierundzwanzig Stunden aufeinander zu hängen, geht es kaum. Da macht es keinen Unterschied, dass ich von vielen meiner Kameraden nur die Nachnamen kenne.“
Jakob räusperte sich. „Haben Sie schon mal jemanden erschossen?“
„Du bist ja doch noch da!“
Coblin wirkte erfreut, und das irritierte Jakob fast mehr als die Ta tsache, dass ihn die Frage nicht aus der Ruhe zu bringen schien.
„Dies ist eine der am häufigsten gestellten Fragen. Wundert mich, dass sie bei euch erst so spät aufkommt. Die Antwort ist nein. Ich war dreimal im Irak. Zweimal in Afghanistan. Habe in der Versorgung der Truppen gearbeitet und musste in der ganzen Zeit nur zweimal meine Waffe abfeuern. Beide Male ohne jemanden damit zu verletzen.“
In Jakobs Kopf arbeitete es. „Aber es gibt Einheiten, wo die Wahrscheinlichkeit, dass man schießen muss, höher ist, oder?“
„Sieh mal an, nicht nur stark, sondern auch was im Köpfchen!“ C oblin schmunzelte. „Ja, das stimmt. Einzelne Einheiten sind einem höheren Risiko ausgesetzt, aber alles in allem ist die Army so gut ausgestattet, dass wir das Risiko, uns selbst oder andere in Gefahr zu bringen, erheblich verringert haben in den letzten Jahren.“
Max, der eine Klasse unter Jakob und Carl war, grinste. „Stimmt es, dass die tollsten Schnecken auf so ‘ne Uniform abfahren?“
Coblin lachte und antwortete nach einem kurzen Zögern.
Jakob hörte nicht mehr hin. Er drehte sich um und verließ die Me nsa. Er ignorierte Carls Schritte hinter sich und den Umstand, dass sein Freund, ohne Luft zu holen, auf ihn einplapperte. Für Carl war die Sache Army abgehakt. Er befand sich längst bei den Unternehmungen für das Wochenende und der Einrichtung ihrer WG in Cambridge. Jakob registrierte die kleinen weißen Kärtchen an jedem Spind, die der in seiner Hand entsprachen, während er Carl mit halbem Ohr zuhörte.
Werbung, die machen nur Werbung, und du Idiot fällst auf ihre blöde Masche herein. Erfolgserlebnisse, Gemeinschaftsgefühl und stark polarisierende Charaktere. Ich führe mich auf wie der Prototyp eines Verlierers, der seine einzige Möglichkeit und Erfüllung in der Armee findet und sofort auf ihre Strategie anspringt. Das ist echt e rbärmlich.
Jakob grunzte unwillig, aber der Gedanke, es könnte eine Alternat ive sein, hatte sich fest in seinem Kopf verankert. Es war eine Möglichkeit, vielleicht die einzige, wenn er sich nicht länger das Genörgel seiner Eltern anhören wollte. Wenn er nicht mit ansehen wollte, wie Lenni und Carl ihren gemeinsamen Traum lebten, während Jakob ihn schon längst aufgegeben hatte.
Carls Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.
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