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Stille Seele (German Edition)

Stille Seele (German Edition)

Titel: Stille Seele (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Lastella
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deine Zukunft vorstellst. Du bist seit mehr als drei Monaten mit deinem Abschluss fertig und hast keinen Plan, was du machen willst. Ich weiß, dass es schwierig ist, das Passende zu finden, aber du könntest es wenigstens versuchen! Du bist kein Dummkopf!“ Er machte eine kaum merkliche Kopfbewegung in Ric htung Nachtschrank und entlockte Jakob damit ein verächtliches Stöhnen.
    „Da wäre ich mir nicht so sicher!“ Jakob gab dem Buch einen w ütenden Stoß, so dass es auf den Boden fiel und zuklappte. Seine coole Gleichgültigkeit war purer Wut gewichen. „Tut mir leid, dass ich nicht so schlau bin wie Paul oder Sarah. Muss ja echt eine Enttäuschung für dich sein, dass du so einen Idioten adoptiert hast.“
    „Du bist mein Sohn und du weißt, dass es nicht fair ist, mir immer wieder vorzuhalten, dass ich dich nicht gezeugt habe! Ich habe nie einen Unterschied zwischen dir und Paul und Sarah gemacht!“ Nur an der leicht zitternden Unterlippe erkannte Jakob, wie sehr sein Vater sich zusammennahm. Wie sehr es ihm zusetzte, dass Jakob ausg erechnet diese Schwachstelle in ihrer Beziehung dazu nutzte, sich von ihm zu distanzieren. Es war das gleiche Verhalten, das viele Jugendliche in diesem Alter zeigten, und doch wegen dieser Besonderheit etwas ganz anderes.
    Gleichgültig zuckte Jakob mit den Schultern. „Wenn du es genau wissen willst, habe ich mir bereits Gedanken gemacht. Ihr seid mich bald los!“ Er wandte sich um, nahm seine Jacke vom Stuhl und war im Begriff zu gehen, als sein Vater ihn am Arm zurückhielt.
    „Was soll das heißen? Was hast du vor, und wo willst du hin?“
    Mit einem angewiderten Blick auf die Hand seines Vaters blickte Jakob auf, bevor sein Blick zu den Unterlagen der US-Army auf se inem Tisch hinüberglitt.
    „Nein, Jakob, wir müssen darüber sprechen. Das ist doch nicht dein Ernst! Ich dachte, das wäre nur so eine Spinnerei. Du kannst nicht zum Militär gehen!“
    „Warum nicht? Jeden Tag melden sich Menschen freiwillig!“ Sein Vater sah blass aus und irgendwie genoss Jakob den Triumph in diesem Moment, obwohl sich ein unerwünschtes Gefühl dazu mischte. Ein undefinierbares Gefühl, das zu gleichen Teilen aus Angst, Trauer und der Gewissheit, etwas Falsches aus den falschen Gründen zu tun, bestand.
    „Ich habe mich schon verpflichtet. Mein Arsch gehört jetzt offiziell Uncle Sam!“ Er grinste schief und versuchte seine Stimme möglichst gleichgültig klingen zu lassen.
    „Du bist zu jung!“
    „Ich bin über achtzehn! Hey Mann, das ist ein Grund zu feiern. Ihr seid mich los! Das ist doch, was du wolltest!“
    Sein Vater schnappte nach Luft und Jakob nutze die Gunst des Augenblicks, tippte sich an die Stirn und verließ das Zimmer. Er spürte, dass er sich in eine Sache verrannte, weil er nicht bereit war nachzugeben und weil er nicht wusste, was er sonst tun sollte, um aus dieser Sackgasse zu entkommen, der sein Leben zurzeit glich. Obwohl er gelogen hatte, was den Vertrag anging, wurde Jakob klar, dass die Army mit Sicherheit sein einziges Ticket aus dieser Stadt sein würde.
     
     
     
     
     
     
    29. September 2002, Billings, Rekrutierungsbüro US-Army
     
    Jakob fuhr mit dem Bus bis zum Stadtrand von Billings. Nur zehn Minuten später erreichte er die Ausfallstraße, in der sich das Rekruti erungsbüro laut der Visitenkarte befinden sollte. Zwei Tankstellen, ein Fast-Food-Restaurant und mehrere kleine Geschäfte, alle unter einem undefinierbaren Grauschleier verborgen, unterstrichen die Trostlosigkeit dieses Stadtteils. Alles hier wirkte schmuddelig und lieblos. Jakob zog die Karte aus seiner Hose und verglich die Adresse mit dem leicht schief hängenden Straßenschild, das neben ihm auf dem einzigen Flecken Grün stand. Er seufzte tief und überlegte für einen kurzen Augenblick, einfach umzudrehen und wieder nach Hause zu fahren, aber diese Genugtuung würde er seinem Vater nicht gönnen. Schuldbewusst fragte Jakob sich, ob das Bild fair war, das er selbst von seinem Dad zeichnete. Unwillig wischte er das liebevoll lächelnde Gesicht seines Vaters fort und konzentrierte sich auf die undefinierbare Wut in seinem Bauch, die ihm helfen würde, seinen Plan durchzuziehen.
    Langsam schlenderte er an einer Autovermietung vorbei, die mit ihren leuchtenden Reklameschildern und den blankpolierten Scheiben nicht in das Gesamtbild passen wollte, und gelangte schließlich zum Ende der Ladenzeile. Ein Steuerberater im ersten Stock und im Erdg eschoss das Rekrutierungsbüro

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