Stille Seele (German Edition)
sagen würdest, durchtrainiert. Es werden viele dreckige Witze erzählt, von denen höchstens die Hälfte jugendfrei ist, und der Umgangston ist rau, aber herzlich. Wenn wir nicht arbeiten, spielen wir Football, Videospiele, Karten, sehen fern oder lesen Bücher.“ Er überlegte und lehnte sich wieder zurück. „Ich weiß nicht, was ich noch erzählen sollte!“
„Die Stelle mit den Jungs alle rund um die Uhr in einem Raum fand ich schon ganz interessant. Wie genau muss ich mir das vorstellen in einem Mannschaftsraum? Also, ich meine …!“ Sie machte eine ei ndeutige Handbewegung und grinste unschuldig.
Jakob stöhnte. „Mensch, Sarah, willst du allen Ernstes, dass ich ins Detail gehe. Ich meine, ich habe niemandem dabei“, er wiederholte ihre Geste, „Händchen gehalten.“
Enttäuscht schob sie ihre Lippe vor. „Ist ja gut. War ja nur ein Scherz.“ Etwas ernster fügte sie hinzu: „Ich möchte gerne wissen, wie dein Leben dort so ist!“
„Es ist okay!“ Jakob schloss erneut die Augen und konzentrierte sich auf seine Atmung.
„Das hast du bereits gesagt!“
„Weil es stimmt!“
Er spürte ihre warme Hand auf seiner und wie sie sich im Takt seiner Atmung hoben und senkten. „Du warst noch nie ein guter Lügner! Weißt du, Paul hat mindestens genauso viel Mist gebaut wie du, aber er hat sich nie erwischen lassen. Bei dir wusste Dad immer, wann du gelogen hast!“
„Bis ich es irgendwann gelassen habe. Das mit der Wahrheit hat aber auch nicht wirklich gut funktioniert!“ Jakob zog kläglich einen Mundwinkel nach unten.
„Warum gehst du immer noch dorthin?“
„Ist mein Job. Mein Vertrag läuft noch über zwei Jahre und ich bin erwachsen geworden. Ich habe unterschrieben, also muss ich das wohl zu Ende bringen!“ Jakob presste die Lüge angestrengt heraus und kniff die Augenlider noch fester zusammen.
„Dads Rede bei deinem letzten Besuch hat echt Eindruck auf dich gemacht, oder?“ Sie runzelte die Stirn und musterte ihn eingehend. „Du gehörst da nicht hin!“
„Niemand gehört da hin, Sarah! Aber hierher habe ich auch nie g ehört. Ich funktioniere hier nicht so wie du oder Paul, und es ist nicht so schlecht, wie es sich anhört.“ Mit einem Ruck setzte Jakob sich auf. Nein, es ist schlimmer. Angestrengt verzog er das Gesicht, als der alte Schmerz und die Lüge gleichzeitig durch seinen Körper brannten.
„Die Schulter?“
Er nickte. „Ich muss in einer Woche weg. Ich werde nicht lange bleiben können.“
Schweigen legte sich über den Raum, aber Jakob hörte anhand von Sarahs angestrengtem Atem, dass sie mit sich kämpfte, um nicht s ofort mit dem herauszuplatzen, was ihr im Kopf herumging.
„Wohin?“ Die Frage zersprengte die Stille zwischen ihnen. „Du bist doch länger als eine Woche krankgeschrieben.“
„Ich war schon fast acht Wochen im Militärkrankenhaus in Landstuhl. Es ist also nicht nur eine Woche, aber du hast recht, ich habe noch länger frei. Ich muss aber etwas Dringendes erledigen.“
„Kann das nicht warten?“ Sarah setzte sich auf und sah ihn ei ndringlich an. „Es ist wirklich schwer für Mom und Dad. Sie lieben dich und sie kommen um aus Sorge um dich. Du hast uns nie besucht in all der Zeit!“
Jakob holte tief Luft, um sich zu erklären, aber Sarah fuhr ihm über den Mund. „Ich weiß, dass du frei hattest. Großmutter hat es uns e rzählt.“ Sie winkte resigniert ab. „Ist ja auch egal. Ich muss nicht verstehen, wieso du so krampfhaft davon überzeugt bist, dich mit Mama und Dad streiten zu müssen, aber tu ihnen das nicht an. Bleib – nur noch ein bisschen!“
„Ich kann nicht! Außerdem hat Dad selbst gesagt, ich soll meine Dinge durchziehen!“ Jakob schluckte schwer.
„Was ist passiert, Jay? Acht Wochen? Du hast gesagt, es war nur ein Streifschuss!“ Sie zog skeptisch eine Augenbraue nach oben. „Und warum hast du uns nicht Bescheid gesagt? Mom und Dad hätten dich dort besuchen können!“
Jakob senkte den Blick und kniff die Lippen aufeinander, sodass sie schmalen Strichen glichen.
„Was ist wirklich passiert?“ Sarahs Stimme klang fordernd.
Mit einer langsamen Bewegung zog Jakob die Schublade des Nachtschrankes auf und griff nach einem Briefumschlag. Das Papier war dreckig und zerknittert. Jakob wog ihn in seinen Händen und atmete zitternd ein. „Ich muss nach Texas!“ Er biss sich auf die Li ppen und schluckte den Kloß in seinem Hals hinunter. Trotzdem klang seine Stimme brüchig, als er fortfuhr. „Ich bin es
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