Stille Seele (German Edition)
fallen. Mit einem leichten Lächeln und einem Blick auf seine Armbanduhr fügte er hinzu: „Na ja, jetzt wissen wir ja, wer hier die Prinzessin ist!“ Sein Grinsen wurde breiter. „Biste jetzt beleidigt oder was?“
Noch immer war keine Antwort aus dem Bad zu hören. Irritiert setzte Jakob sich auf. Überhaupt war es viel zu still. Er spürte, wie sein Herz anfing schneller zu schlagen. Der Ausbilder in Fort Benning hatte immer zu ihnen gesagt: „Es gibt zwei Dinge, die eindeutig auf eine Gefahr hinweisen. Wenn es zu still ist oder wenn dir jemand eine Waffe an den Kopf hält!“ Dazu hatte er dröhnend gelacht.
Jakob rieb sich über die Schläfen und verdrängte das diffuse Unb ehagen, das von ihm Besitz ergriff. Warum musste er sich ausgerechnet jetzt an diese dämliche Aussage erinnern. Sie waren nicht im Krieg, nicht in einem Kampf, und trotzdem klang seine Stimme zaghaft, fast ängstlich. „Connor?“
Die Stille in dem kleinen Zimmer schien fast greifbar. Jakob ließ die Hand mit dem Brötchen sinken. Das Blut rauschte durch seine Adern und er fühlte seinen Pulsschlag unangenehm gegen seine Hal sschlagader pochen. Er lauschte noch einige Sekunden, schloss dabei mehrmals seine Augen und sendete stumme Stoßgebete zum Himmel, dass er sich alles einfach nur einbildete. Dass Connor jeden Moment grinsend aus der Badezimmertür treten würde, wie all die Tage zuvor, ihm einen Fausthieb gegen die Schulter geben und sich dann lachend an den Tisch setzen würde, aber nichts regte sich.
Jakob atmete tief durch und murmelte: „Das ist doch lächerlich!“ Er gab sich einen Ruck, stand auf und schlurfte zum Badezimmer hin über. Vorsichtig drückte er die Klinke hinunter und tippte sanft gegen die furnierte Tür. Sie schwang leichter auf, als Jakob vermutet hätte und gab den Blick auf das kleine, geschmacklos eingerichtete Badezimmer frei.
Connor sah friedlich aus. Als hätte der Kampf in seinem Inneren endlich aufgehört. Als hätte er eine Möglichkeit gefunden, den Al bträumen und Bildern zu entkommen, die sie beide immer wieder heimsuchten. Noch immer stand Jakob im Türrahmen. Unfähig sich zu bewegen. Jakob spürte, wie Tränen sein Gesicht hinabliefen. Schmeckte die salzige Flüssigkeit auf seinen Lippen. Wie durch einen Nebel hörte er sein eigenes ersticktes Weinen und fühlte sich trotzdem nur wie ein unbeteiligter Zuschauer. Die Szene wirkte nicht real. Ihm war kalt und heiß zugleich. Sein Körper wurde von heftigen Schluchzern geschüttelt und seine Beine fühlten sich an, als würden sie ihren Dienst versagen. Er hatte das Bedürfnis sich zu spüren. Irgendetwas zu spüren, das ihm zeigen würde, dass das alles nur ein Albtraum war. Seine Hände glitten über sein Gesicht, durch seine Haare und umschlangen dann seinen Körper. Er hielt sich an sich selbst fest, ohne dass es einen nennenswerten Effekt hatte. Seine Beine gaben nach und er glitt langsam am Türrahmen hinab. Jakob hörte sich selbst schreien, spürte, wie sich seine Zähne tief in das Fleisch seiner Lippe verbissen. Der metallische Geschmack seines eigenen Blutes vermengte sich mit dem Salz seiner Tränen. Jakob vergrub für einen Moment sein Gesicht in seinem Schoss. In diesem kleinen abgeschlossenen Raum seines Körpers gelang es ihm, sich etwas zu beruhigen. Bilder von ihm und Connor – von ihrer Zeit vor und in Kandahar und die der letzten Wochen – zogen vor seinem inneren Augen vorbei. Connor mit einem strahlenden Lachen, das Haar windzerzaust, halb aus dem Fenster des Wagens gelehnt. Connor in Uniform mit seiner verspiegelten Sonnenbrille und mit einem Kaugummi zwischen den Zähnen, als sie drei Wochen Wache vor einem Regierungsgebäude stehen mussten und Riley nur nicht vor Langeweile und permanentem Stress zur gleichen Zeit starb, weil Connor ihn blendend unterhielt.
Connor in ihrem gemeinsamen Zelt auf der Basis, wenn er Jakob in der Nacht seine Hand auf den Unterschenkel legte, damit er besser schlafen konnte. Ein Vertrauter, ein Freund, seine Zukunft.
Jakob drehte leicht seinen Kopf und stöhnte gequält auf. Langsam und zitternd erhob er sich und ging zögernd zu der Badewanne hinüber. Tränen und Rotz liefen ihm zähflüssig in den Mund. Das rot verfärbte Wasser durchnässte innerhalb von Sekundenbruchteilen seine Kleidung, als er neben Connor in die Wanne glitt. Liebevoll schloss er ihn in die Arme und spürte den Rest lebendiger Wärme in dem schlaffen Körper. Sanft wiegte er sich und seinen Freund hin und her,
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