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Stille über dem Schnee

Stille über dem Schnee

Titel: Stille über dem Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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nach
einer Öse.
    Â»Die ist ja wunderschön«, sagt Charlotte.
    Â»Sie ist für meine Großmutter.«
    Die Halskette besteht aus sechs runden schwarzen Keniaperlen und einem
silbernen Anhänger in der Mitte.
    Â»Die würde ich auch tragen«, sagt Charlotte. »Du mußt eine ziemlich
flotte Großmutter haben.«
    Charlotte sieht mir zu, während ich mich mit der Öse abplage, das
Schwierigste bei der Anfertigung einer Kette. »Ich muß die Lederschnur in
dieses kleine Ding hier einpassen«, erkläre ich, »und es dann zusammenpressen,
damit die Schnur nicht wieder herausrutscht. Das wird der Verschluß.«
    Â»Oh«, sagt sie.
    Ich schiebe das Ende der feinen Lederschnur in die Öse und drücke
sie mit der Presse flach. Danach ziehe ich an der Schnur, um sicher zu sein,
daß es funktioniert hat. Die Schnur schnellt heraus. »Mist«, sage ich.
    Ich krame in den Perlen in meinem Karton nach einer neuen Öse. Kann
sein, daß ich oben in der Schreibtischschublade noch eine habe, aber ich will
nicht erst wieder nach oben laufen.
    Die Perlen in der Schachtel glitzern und fangen den Feuerschein ein.
Ich habe Glasperlen und Holzperlen, Staubperlen und silberne Baliperlen.
    Â»Was ist das für eine?« Charlotte hält eine blaue Glasperle ans
Licht.
    Â»Das ist böhmisches Glas. Feuergehärtet.«
    Â»Was heißt das?
    Â»Weiß ich auch nicht.«
    Â»Sie ist toll«, sagt sie.
    Â»Sie sollten sie bei Tageslicht sehen. Wollen Sie sie haben?«
    Â»O nein.« Sie wirft die Perle in den Karton zurück.
    Ich nehme sie wieder heraus. »Ich habe sechs davon«, sage ich. »Sie
könnten sich auch eine Perlenschnur machen.«
    Â»Aber es sind doch deine Perlen«, entgegnet Charlotte.
    Â»Ich habe viele Perlen.«
    Charlotte sieht mich an und neigt ihren Kopf ein wenig zur Seite,
wie sie das häufig tut. »Danke«, sagt sie.
    Ich reiche ihr eine Rolle Lederschnur. Ich suche die restlichen fünf
blauen Glaskugeln aus der Schachtel heraus. Im dämmrigen Licht ist die Farbe
nicht leicht zu erkennen, aber die Perlen haben eine besondere Form – rund und
in Facetten geschliffen.
    Charlotte legt die Perlen auf den Boden und schickt sich an, sie
aufzufädeln.
    Ich halte die Kette für meine Großmutter ins Licht des Feuers. Die
Perlen haben einen schimmernden Glanz, und der Anhänger sitzt genau in der
Mitte.
    Ich werfe einen Blick zu Charlotte hinüber. Sie hat die Perlen auf
die Schnur gefädelt. »Warten Sie«, sage ich. »Das habe ich vergessen, Ihnen zu
sagen. Wenn Sie es so machen, rutschen die Perlen an der Schnur herum, und am
Ende sitzt der Verschluß vorn. Sie müssen auf beiden Seiten jeder Perle einen
kleinen Knoten machen. Da Sie sechs Perlen haben, müssen Sie den ersten Knoten
genau in der Mitte der Schnur machen.«
    Ich greife nach der Schnur, um es ihr zu zeigen, und mache einen
einfachen Knoten.
    Â»Okay«, sagt sie.
    Ich reiche ihr die Lederschnur zurück und sehe zu, als sie die erste
Perle darauf schiebt. Mit ihren feinen Fingern macht sie mühelos einen Knoten,
genau an der richtigen Stelle. Die Haare hängen ihr ins Gesicht, und sie muß
sie auf eine Seite werfen, damit sie im Licht des Feuers überhaupt etwas sehen
kann. Sie fädelt die nächste Perle auf und eine dritte, dann wechselt sie zur
anderen Seite. Die Kette ist nicht schwer zu machen – eigentlich sind sie alle
ganz einfach –, aber es ist ihre erste, und es ist manchmal ein bißchen
schwierig, die Knoten auf der zweiten Seite in denselben Abständen zu setzen
wie auf der ersten.
    Eine Zeitlang schaue ich nur zu. Charlottes Gesicht ist angespannt
vor Konzentration. So muß sie aussehen, wenn sie lernt, denke ich.
    Nachdem sie die letzte Perle aufgefädelt hat, hält sie die Kette
hoch, so daß sie das Licht einfängt. Das geschliffene Glas funkelt.
    Â»Sieht toll aus«, sage ich.
    Charlotte hält die Kette auf das kleine Hautdreieck, das vom Kragen
ihrer weißen Bluse und dem V -Ausschnitt des
Pullovers umrahmt wird.
    Â»Morgen werden Sie begeistert sein«, füge ich hinzu.
    Als ich zuvor nach den sechs blauen Perlen gesucht habe, bin ich auf
einen Crimp gestoßen. »Ich glaube, ich habe hier irgendwo einen«, sage ich, während
ich die Schachtel in die Höhe halte und leicht kippe, damit das Licht
hineinscheint. Ich schiebe die Perlen hin und her. Silber

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