Stille über dem Schnee
hinteren Flur; in
Charlottes Auto ein gepolsterter Babysitz. Tagsüber werde ich zur Schule gehen,
und wenn ich nach Hause komme, wird Charlotte mir mit dem Baby auf der Hüfte im
hinteren Flur entgegenkommen. Sie wird ihre flauschige pinkfarbene Strickjacke
anhaben und eine Jeans. Sie wird Schokoschnitten mit Schokostücken für mich
gebacken haben und mich nach meinen Freunden ausfragen. Sie wird noch eine
Besorgung zu erledigen haben, oder vielleicht geht sie auch zur Abendschule und
wird mich bitten, auf das Kind aufzupassen. Abends, wenn wir beide unsere
Hausaufgaben machen, müssen wir leise sprechen, um das Kind nicht zu wecken.
Charlotte wird mit mir nach Hanover zum Friseur fahren, damit ich mir
Strähnchen färben lassen kann, und sie wird mich und meine Freundinnen ins Kino
fahren.
Einen James wird es nicht geben.
Mein Vater wird sich beruhigen.
Ich werde Charlotte ein FuÃkettchen machen, und für das Baby werde
ich aus der vielfarbigen Wolle, die Marion mir immer andrehen will und die ich
bisher nicht genommen habe, eine Decke stricken. Nein, ich nehme die weiche
gelbe Wolle, die ich einmal bei Ames in Newport gesehen habe. Charlotte wird
mich hinfahren, und ich werde die Wolle von meinem eigenen Geld kaufen. Ich
denke über ein Karomuster nach, als die Wärme des Feuers bei mir zu wirken
beginnt wie vorher zweifellos bei Charlotte. Das letzte Geräusch, das ich
vernehme, ist das FüÃestampfen meines Vaters, der im hinteren Flur den Schnee
von seinen Stiefeln klopft.
Â
 EINMAL WACHE ICH IN DER NACHT
AUF â irgend etwas stört die Ruhe â, aber ich bin so müde vom Schippen und von dem
Schneeschuhmarsch und der Nervosität im Haus seit Charlottes Ankunft, daà ich
beinahe sogleich wieder einschlafe. Doch kurze Zeit später erwache ich erneut,
von Stimmen in der Küche aus dem Schlaf gerissen. Ich mag nichts davon wissen,
möchte zurück in meinen Traum, aber sie sind da und zwingen mich, die Augen zu
öffnen. Stimmen? Gemurmel ist es, endlose Wortketten, kurze abgehackte
Antworten, doch die einzelnen Wörter kann ich nicht unterscheiden. Das Feuer
ist fast ausgegangen, nur noch ein wenig glühende Asche ist übrig. Charlotte
ist nicht in ihrem Schlafsack.
Später
erzählt man mir, daà Charlotte, als sie in der Nacht durstig erwachte, in die
Küche ging, um sich ein Glas Milch zu holen, und dabei über meinen Vater
stolperte, der â wovon sie nichts wuÃte â dort in seinem Schlafsack auf dem
Boden schlief. Sie schlug mit den Händen heftig gegen das Gitter am Ofen. Mein
Vater wachte auf, zündete die Kerosinlampe an und sah sich Charlottes Hände an.
Er machte aus Eiswürfeln und Plastikbeuteln zwei kalte Kompressen und befahl
Charlotte, sich auf seinen Schlafsack zu setzen, mit dem Rücken an den
Küchenschrank gelehnt, und das Eis wirken zu lassen.
Ich winde mich aus meinem Schlafsack heraus und gehe durch den Flur.
Ich sehe Charlotte mit den Eisbeuteln in den Händen. Mein Vater steht in der
Ecke gegenüber, nicht weit von ihr, die Küche ist ja so klein. Er steht mit dem
Rücken zu den Arbeitsplatten, die dort in rechtem Winkel zusammentreffen. Ich
kann die beiden im Licht der Kerosinlampe erkennen, aber im Flur ist es dunkel,
und sie haben mich noch nicht bemerkt. Gerade will ich in die Küche gehen, da
höre ich Charlotte sagen: »Nicky hat keine Schuld an dem, was heute war.«
Ich bleibe stehen.
»Es war alles meine Idee«, fährt Charlotte fort. »Ich habe sie darum
gebettelt, mich hinzuführen.«
»Sie hätte klüger sein müssen«, sagt mein Vater. »Und Sie ebenso.«
Ich lehne mich neben der Küche an die Wand.
»Es war entsetzlich«, sagt Charlotte.
»Das kann ich mir vorstellen«, antwortet mein Vater.
Ich weià nicht, was mich mehr überrascht â daà mein Vater und
Charlotte zusammen in der Küche sind oder daà sie tatsächlich miteinander
sprechen.
»Was machen die Hände?« fragt mein Vater.
»Sie sind ein biÃchen taub«, sagt sie.
»Lassen Sie das Eis drauf. Ich hätte Nicky sagen sollen, daà ich
hier schlafe, bevor Sie beide zu Bett gegangen sind.«
»Ich habe Sie überhaupt nicht gesehen.«
Ich rutsche an der Wand entlang abwärts und bleibe mit hochgezogenen
Knien auf dem Boden sitzen.
»Ist Ihnen warm genug?« fragt mein Vater.
»Danke, ja«, antwortet
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